Darüber sprach der ÖRK-Generalsekretär Jerry Pillay in einem auf dem Onlineportal des weltweiten Ökumenischen Rates der Kirchen am Donnerstag veröffentlichten Interview. Ausführlich berichtete Pillay darin von dem rund zweieinhalbstündigen Treffen einer von ihm angeführten ÖRK-Delegation mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill in der vergangenen Woche in Moskau. Außerdem nannte er weitere Details zu einem vom Weltkirchenrat geplanten „Runden Tisch“ mit den beiden zerstrittenen orthodoxen Kirchen der Ukraine und der russisch-orthodoxen Kirche.
„Wir haben deutlich gesagt, dass der Krieg beendet werden muss“, berichtete Pillay aus den Gesprächen mit dem russischen Kirchenoberhaupt. Er habe Kyrill erzählt, was die Delegation einige Tage zuvor bei einem Besuch in der Ukraine gesehen habe, sagte der ÖRK-Generalsekretär: „Wir haben gesehen, was mit den Menschen geschieht, den Verlust von Menschenleben und Eigentum, und wie sinnlos dieser Krieg in Bezug auf seinen Zweck und den tragischen Verlust von Menschenleben ist – was wirklich inakzeptabel ist. Wir haben ihm berichtet, was wir gesehen haben, und wir haben gesagt, dass wir auf die Beendigung dieses Krieges hinarbeiten müssen.“
„Recht und Pflicht“, allen zuzuhören
Er sei sich bewusst, dass das Treffen und die gemeinsamen Fotos der ÖRK-Delegation mit Patriarch Kyrill auch Kritik ausgelöst haben, fügte Pillay hinzu. Im Angesicht des Krieges könne sich der Weltkirchenrat aber nicht zurückzulehnen und nichts tun. Die Russisch-orthodoxe Kirche sei Mitglied des ÖRK. „Wir haben das Recht und die Pflicht, sie zu besuchen, ihr zuzuhören und sie natürlich auch in Bezug auf ihre Position zum Krieg herauszufordern.“
Thema des Gesprächs mit Kyrill sei auch die „Sorge“ um die tief gespaltene orthodoxe Familie gewesen. Die orthodoxen Christen in der Ukraine und in Russland spielten eine wichtige Rolle und könnten starken Einfluss auf die aktuelle Situation ausüben, sagte Pillay. „Sie können sich gegen den Krieg aussprechen, sie können sich für den Frieden einsetzen. Deshalb haben wir uns sehr stark auf die Tatsache konzentriert, dass wir die orthodoxe Familie in Einheit zusammenbringen müssen.“
Arbeit an „Rundem Tisch“
Der Weltkirchenrat hofft, in der ersten Oktoberwoche die beiden orthodoxen Kirchen der Ukraine und das russisch-orthodoxe Moskauer Patriarchat an einen Tisch bringen zu können. Dies gilt nicht nur wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als äußerst schwierig. Die russische-orthodoxe Kirche spricht der 2018 gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) die Existenzberechtigung ab.
Die OKU konkurriert im Land mit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), die traditionell dem Moskauer Patriarchat unterstand, jedoch nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Mitte 2022 ihre Trennung von der russisch-orthodoxen Kirche bekannt gab.
„Die Idee des Runden Tisches ist es, am ersten Tag die ukrainischen Kirchen zu einer Diskussion zu bewegen, am zweiten Tag Gespräche mit der russisch-orthodoxen Kirche zu führen und am dritten Tag alle zusammenzubringen, um die Probleme des Krieges zu diskutieren und gemeinsam an der Wiederherstellung der Einheit der orthodoxen Familie zu arbeiten“, erklärte ÖRK-Generalsekretär Pillay in dem aktuellen Interview.
Kirill will über ÖRK-Vorschlag nachdenken
Die Reaktion der ukrainischen Kirchen sei „sehr gut“, sagte Pillay. Der Moskauer Patriarch hingegen habe sich „besorgt“ geäußert über die Möglichkeit, dass ein Runder Tisch „äußeren Einflüssen“ ausgesetzt sein könnte und diesbezüglich „insbesondere“ die Vereinigten Staaten erwähnt. Er habe Kyrill dazu gesagt, so Pillay, dass der Weltkirchenrat keine politische Agenda habe. „Wir glauben, dass die Bibel uns zum Frieden aufruft.“
Aktueller Stand ist laut Pillay nun, dass Kyrill angekündigt habe, dass die russisch-orthodoxe Kirche interne Gespräche zu dem ÖRK-Vorschlag führen werde. Derweil setzte der Weltkirchenrat seinerseits die Arbeit an einem Dokument fort, in dem „die verschiedenen Standpunkte“ aufgelistet sowie Ort, Teilnehmer und Tagesordnung vorgeschlagen werden sollen. „Wir hoffen, den Runden Tisch möglichst im Oktober dieses Jahres abhalten zu können, aber er wird so bald wie möglich stattfinden“, schloss der ÖRK-Generalsekretär.
ÖRK „Instrument des Dialogs“
Dem Weltkirchenrat gehören rund 350 protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische Kirchen sowie kirchliche Gemeinschaften in mehr als 110 Ländern an, die nach eigenen Angaben weltweit rund 580 Millionen Christen repräsentieren.
„Die eigentliche Bestimmung und Berufung des ÖRK ist, ein Instrument des Dialogs zwischen den Kirchen über Themen zu sein, die uns entzweien“, hatte Generalsekretär Pillay schon unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Moskau in der vergangenen Woche in einer Aussendung betont. „Wir sind verpflichtet, dem christlichen Ruf zu folgen und Friedensstifter zu sein, und angesichts der Situation in der Ukraine und in der Welt von heute müssen die Kirchen gemeinsam diesem Ruf folgen.“