Nach jüdischer Vorstellung trägt Gott zu Rosch ha-Schana sein Urteil über die Geschöpfe in das „Sefer ha-Chajim“ (Buch des Lebens) ein, doch erst zu Jom Kippur wird das göttliche Urteil besiegelt. Davor ist noch Zeit, um sich durch Buße, Rituale und gute Taten von Sünden reinzuwaschen. Die Zeit zwischen Rosch ha-Schana und Jom Kippur wird als Tage der Ehrfurcht („Jamim Noraiim“) bezeichnet. Bis Jom Kippur am zehnten Tag des jüdischen Monats Tischri darf man man auf „Chatima tova“ (gute Eintragung in das Buch des Lebens) hoffen.
Jom Kippur selbst ist ein strenger Fasttag, von Beginn des Festes am Abend bis zu seinem Ausgang am nächsten Abend, insgesamt 25 Stunden lang. Essen und Trinken sowie Sex und Körperpflege, aber auch jegliche Art von Arbeit sind untersagt. Der Feiertag gilt als der „Schabbat schabbaton“, der Sabbat der Sabbate, daher gelten alle Sabbat-Regeln ganz besonders.
Strenger Fastentag
Dazu zählen die Verbote, Auto zu fahren, zu telefonieren, sich zu schminken und die Nutzung elektronischer Geräte. Der Tag soll dem Nachdenken über das eigene Leben gewidmet werden.

Die entsprechende Bibelstelle findet sich bei Levitikus: „Am zehnten Tage des siebenten Monats sollt ihr fasten und keine Arbeit tun, weder ein Einheimischer noch ein Fremdling unter euch. Denn an diesem Tage geschieht eure Entsühnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn", heißt es im dritten der fünf Bücher Mose (Lev 16,29–30).
Ein Licht und weiße Kleidung
Auch viele nicht strengreligiösen Jüdinnen und Juden halten diese Gebote zu Jom Kippur ein. Bevor man sich am Vorabend des Festes in die Synagoge begibt, wird zu Hause ein Licht zum Andenken an die verstorbenen Angehörigen gezündet. Viele Gläubige tragen in den Synagogen weiße Kleidung und eine weiße Kopfbedeckung.

Der abendliche Gottesdienst (heuer am Sonntag) startet mit der Erklärung „Kol Nidre“ (alle Gelübde), bei dem unbedacht geäußerte Gelübde und Schwüre null und nichtig werden. Die Versöhnung mit Gott ist nur dann gültig, wenn man sich auch mit seinen Mitmenschen versöhnt. Deswegen sind zu Jom Kippur persönliche Bitten um Verzeihung üblich, für alles was im Jahr vorgefallen ist.
Kollektive Entschuldigungen
Beim Morgengebet wird die „Slichot“ (Entschuldigungen) gesprochen, Litaneien, in denen die Gemeinde kollektiv ihre Sünden bekennt und Gott um Vergebung bittet. Das ist zwar an jedem Tag des Jahres möglich, soll aber zu Jom Kippur besonders wirkungsvoll sein.
Nach dem Blasen des Schofarhorns und der Rezitation des Schma Jisrael („Höre Israel, Gott ist unser Herr, Gott ist einer“), wird das Fasten gebrochen. Süßspeisen sollen das Jahr symbolisch versüßen. Dabei wünscht man einander ein gutes Jahr und gute Besiegelung im Buch des Lebens. Fünf Tage nach dem Versöhnungsfest begehen Jüdinnen und Juden das siebentägige Laubhüttenfest Sukkot.