Missbrauch

Bätzing zu Hengsbach: „Alles muss auf den Tisch“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, hat dem des Missbrauchs beschuldigten früheren deutschen Ruhrbischof Franz Hengsbach (1910–1991) „verbrecherisches Verhalten“ vorgeworfen. „Alles muss auf den Tisch“, sagte er am Montag.

Wörtlich sagte Bätzing zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Wiesbaden: „Die Verunsicherung für Gläubige in diesem Bistum, wenn man sieht, auf welch hohem Sockel dieser Mann stand als Gründerbischof und dann stürzt – die ist ja mit nichts zu vergleichen. Das sind Generationen von Menschen, die dort geprägt wurden und dann enttäuscht werden durch ein verbrecherisches Verhalten eines solchen Bischofs, das hat für mich auch tatsächlich eine Qualität, die wir bisher nicht hatten.“

Bätzing wies darauf hin, dass sich derzeit offenbar weitere Betroffene meldeten. „Das heißt ja immer, dass sich die Vorwürfe erhärten.“ Jetzt gelte: „Alles muss auf den Tisch, die Wahrheit muss auf den Tisch. Nur so werden die Betroffenen zu ihrem Recht kommen.“ Er hoffe, dass sich der Fall so lange nach dem Tod es mutmaßlichen Täters noch aufklären lasse.

Georg Bätzing, Vorsitzender der deutschen römisch-katholischen Bischofskonferenz
APA/AFP/Sascha Steinbach
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing

Vor knapp einer Woche hatte das Bistum Essen mitgeteilt, es bestehe der „gravierende“ Verdacht, dass Hengsbach in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn in den 1950er Jahren eine 16-Jährige sexuell missbraucht habe. Außerdem beschuldigt eine Frau Hengsbach eines weiteren Übergriffs im Jahr 1967 in seiner Essener Zeit als Bischof.

ZdK: Reste an Vertrauen zerstört

Die mutmaßlichen Taten und die abermals dokumentierte Vertuschungsstrategie der Kirche zerstörten Reste an Vertrauen, erklärte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. „Wieder entsteht der Eindruck, dass nicht die Betroffenen, sondern die Täter geschützt wurden.“

Eine erste Überprüfung des ZdK-Archivs habe keine Hinweise auf Kontakte zu den gegen Hengsbach erhobenen Vorwürfe ergeben. Die Korrespondenz werde aber weiter gesichtet. Hengsbach war ab 1947 ZdK-Generalsekretär und von 1953 bis 1968 bischöflicher Generalassistent des Komitees.

Weitere Missbrauchsfälle gemeldet

Das Essener Bistum hatte die Gläubigen vergangene Woche dazu aufgerufen, mögliche weitere Missbrauchsfälle zu melden. Daraufhin seien bereits einige neue Meldungen eingegangen, sagte ein Bistumssprecher am Montagmorgen. Ähnlich hatte der derzeitige Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sich am Sonntagabend im WDR-Fernsehen geäußert. Die neuen Fälle würden nun überprüft, sagte der Bistumssprecher.

Klarer Trennstrich zwischen Kirche und AfD

Der Limburger Bischof zog am Montag auch erneut einen klaren Trennungsstrich zwischen Kirche und AfD. Ein Engagement in Kirche und AfD sei unvereinbar, sagte er. Das passe mit Blick auf das christliche Menschenbild nicht zusammen.

Bätzing bezeichnete Teile des AfD-Personals und deren Positionen als fremdenfeindlich und extremistisch. Menschenverachtende oder demokratiefeindliche Positionen müsse die Kirche brandmarken. Ihre Aufgabe sei es, sich für ein weltoffenes, Europa zugewandtes und demokratisches Deutschland einzusetzen, so der Limburger Bischof. Zugleich müssten aber Probleme im Land und in der Demokratie deutlich benannt werden. Die Kirche und insbesondere die Caritas sähen sich in der Rolle, die Not von Menschen sichtbar und hörbar zu machen. Jeder Wähler müsse dann für seine Wahlentscheidung Verantwortung übernehmen.

Bätzing warnte angesichts wachsender Flüchtlingszahlen vor Abschottung. „Willkommenskultur hat sich nicht erledigt“, sagte er. Es gelte, neu dafür zu werben, „dass die Fremden, die in unser Land kommen, nicht als Gefährdung oder Bedrohung angesehen werden“. Vielmehr sei es notwendig, „dass wir die Menschen sehen, die aus ihrer Not heraus an unsere Tür klopfen“, so Bätzing. „Und für Christinnen und Christen ist es Pflicht, ihnen die Türen und die Herzen zu öffnen“, fügte er hinzu.

Neuwahl von Vize-Vorsitzenden

Die Herbstvollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz tagt bis Donnerstag in Wiesbaden-Naurod. Am Dienstag wollen die Bischöfe einen neuen stellvertretenden Vorsitzenden wählen, wie der Konferenzvorsitzende am Montag vor den Journalisten ankündigte. Die Funktion des Stellvertreters hatte seit 2017 bis zu seinem Rücktritt Ende März dieses Jahres der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode inne.

Ebenfalls am Dienstag werden die Bischöfe außerdem eine Arbeitshilfe zur Vorbeugung von geistlichem Missbrauch veröffentlichen. Es ist die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema. Darunter versteht man die Manipulation, Ausnutzung oder Bevormundung von Menschen im Namen Gottes – etwa in der Seelsorge. Ziel der Studie der Universität Münster war es unter anderem, Faktoren zu ermitteln, die einen Missbrauch geistlicher Autorität durch „Seelenführer“ begünstigen.