Ramsau am Dachstein

ORF/Peter Beringer

„Ein anderes Land: Die Reformation in Österreich“ und „Katharina von Bora“

Österreich war schon bald nach den Thesenanschlägen Martin Luthers im 16. Jahrhundert zu großen Teilen protestantisch. Der Sieg des Protestantismus bei den Bürgern in Wien und anderen großen Städten, den Ratsbürgern und den österreichischen Ständen war fast vollständig – bis das Land durch die Gegenreformation wieder „katholisch gemacht“ wurde.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 24. Oktober 2017
um 22.35 Uhr, ORF 2

„kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – steht am Dienstag, dem 24. Oktober 2017, im Zeichen von „500 Jahre Reformation“:

Peter Beringers Dokumentation „Ein anderes Land: Die Reformation in Österreich“ zeigt um 22.35 Uhr in ORF 2, wie und warum die Reformation in Österreich so rasch durchschlagenden Erfolg hatte – und weshalb sie dennoch scheiterte.

Um 23.20 Uhr folgt die Dokumentation „Katharina von Bora – Nonne, Geschäftsfrau, Luthers Weib“ von Lew Hohmann und Dirk Otto: Als der aufrührerische Mönch Martin Luther die auf der Flucht befindliche Nonne Katharina von Bora heiratet, löst das einen Skandal aus. Als „Mönchshure“ muss sie sich beschimpfen lassen. Erst der Nachwelt gilt sie als kluge und geschäftstüchtige Vorzeigefrau der Reformation, die nach Luthers Tod tief fällt und gar „Bettelbriefe“ an Fürsten und Könige schreiben muss.

2017 ist für die Evangelischen Kirchen in Österreich ein besonderes Jahr. Gemeinsam feiern sie das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation, deren Beginn allgemein auf den Anschlag der 95 Thesen von Martin Luther im Jahr 1517 datiert wird.

„Ein anderes Land: Die Reformation in Österreich“

Heute wissen hierzulande nur wenige davon: Etwa 100 Jahre lang, von 1525 bis 1625, waren Ober- und Niederösterreich, die Steiermark wie auch die damaligen habsburgischen Erbländer Böhmen, Mähren und Ungarn protestantisch. Die Reformation hatte sich rasend schnell verbreitet. Bibeln und fromme Traktate aus den reformatorischen Zentren gelangten durch den neu entwickelten Buchdruck in Windeseile in die Haushalte von Adeligen, Bürgern und Bauern, sogar der habsburgische Kaiser und Landesherr Maximilian II. soll lutherische Sympathien gehabt haben. Der landständische Adel förderte und versorgte lutherische Prädikanten. Diese predigten und feierten in den Pfarrkirchen das Abendmahl in lutherischer Manier. Sie verurteilten die katholische Heiligen- und Marienverehrung und die Fronleichnamsprozessionen, die an manchen Orten sogar verboten wurden.

Als der neue katholische Bischof Martin Brenner um 1580 in der Steiermark eine Visitation durchführte, stellte er fest, dass in seiner Diözese fast alle Pfarrer verheiratet waren oder im Konkubinat lebten. Sie waren, wie Brenner schrieb, allesamt „Ketzer“. Statt Klöstern und Stiften gründete man in vielen Städten protestantische Schulen und richtete Lehranstalten für den Predigernachwuchs ein, deren Unterricht auf der Höhe der Wissenschaft der Zeit stand. In der steirischen Landesschule im Paradeishof in Graz, dem sogenannten Eggenberger Stift, lehrte sogar der Astronom Johannes Kepler. In der steirischen Ramsau – der einzigen protestantischen Gemeinschaft Österreichs, die seit dem 16. Jahrhundert bis heute überlebt hat – finden sich heute noch bäuerliche Haushalte mit Bibeln aus dem Jahre 1536 – allererste Exemplare der von Luther erarbeiteten Gesamtausgabe des Alten und Neuen Testaments auf Deutsch.

Erst etwa 1580 begann die Rekatholisierung Österreichs: Jesuiten aus Bayern wurden nach Wien und Graz entsandt, gründeten Schulen, spionierten, predigten und visitierten. Binnen 20 Jahren sorgten sie für eine Umkehr. Blut floss dabei lange Zeit überraschend wenig. Der endgültige Sieg des Katholizismus erfolgte erst in der Zeit des 30-jährigen Krieges ab 1618. Ein Aufstand protestantischer Bauern in Oberösterreich 1625/26 endete mit 10.000 Toten. Hunderttausende Protestanten verließen während des 17. Jahrhunderts das Land – Edikte der Landesherren zwangen sie dazu. Im Geheimen hielten sich Protestanten noch lange – und wurden immer wieder auch verfolgt. Noch 1837, lange nach dem Toleranzpatent Josefs II. von 1781, das den Protestanten die freie Religionsausübung erlaubte, wurde eine ganze protestantische Gemeinde aus dem Tiroler Zillertal vertrieben.

Peter Beringers Film dokumentiert die schnelle Etablierung protestantischer Gemeinden ab 1525 und die anschließende Unterdrückung. Und er geht der Frage nach, warum die protestantische Konfession die Menschen damals und warum sie sie heute bewegt. Die Doku zeigt auch eine gemischt-konfessionelle Familie (er ist evangelischer Pfarrer, sie katholische Religionslehrerin), in der deutlich wird, welche Streitthemen heute überwunden sind und welche Unterschiede weiterhin die beiden Kirchen trennen – und wie das Ehepaar seine Kinder ökumenisch erzieht. Denn was heute offiziell zwischen den Kirchen noch nicht möglich ist, wird im Kleinen oft schon ganz konkret gelebt – wie etwa der Kommunionempfang bei der jeweils anderen Konfession.

Als Experten kommen zu Wort: der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker, der evangelisch-reformierte Theologe Ulrich H.J. Körtner, die Historiker Rudolf Leeb (evangelisch-theologische Fakultät der Uni Wien) und Thomas Prügl (katholisch-theologische Fakultät der Uni Wien), Reinhard Gruber vom Domarchiv St. Stephan und Rudolf K. Höfer aus Graz (katholisch-theologische Fakultät der Uni Graz) sowie Mitglieder der protestantischen Gemeinden jener Orte, die in der Dokumentation die Schätze aus ihrer Vergangenheit zeigen. Gedreht wurde an Schauplätzen der Reformation in der steirischen Ramsau, Graz, Steyr, Wien, Horn und in Hallstatt.

Ein Film von Peter Beringer

„Katharina von Bora: Nonne, Geschäftsfrau, Luthers Weib“

Für die junge sächsische Adelige Katharina von Bora ist das Mittelalter am Karsamstag 1523 vorbei, als sie aus dem Kloster Marienthron in Nimbschen bei Grimma flieht. Seit 1515 mit Gott verheiratet, deutet sie die Zeichen der neuen Zeit auf ihre Weise: Bei Nacht flieht sie mit elf anderen Nonnen über die Klostermauer. Nach einer turbulenten Reise kommt Katharina mit ihren Gefährtinnen in Wittenberg an. Die meisten der ehemaligen Zisterzienserinnen werden sehr schnell verheiratet. Nur Katharina nicht. Sie lebt vermutlich im Hause des Bürgermeisters Reichenbach, dann bei Lucas Cranach und verliebt sich in den Nürnberger Patriziersohn Hieronymus Baumgartner, der in Wittenberg studiert. Doch der wird nach Hause zurückbeordert und dort standesgemäß verheiratet.

Nach einigen Wirren finden Katharina und Luther schließlich 1525, auf dem Höhepunkt des Bauernkrieges, zueinander. Katharina nimmt fortan Luthers Anwesen und die Finanzen in ihre Regie. Sie betreibt eine Burse, eine Pension für Studenten und verschiedene Güter. In nur 15 Jahren macht sie aus dem Hause Luther ein florierendes mittelständisches Unternehmen und aus ihrem Mann einen der größten Grundbesitzer Wittenbergs. Ihre Bildung, ihr Selbstbewusstsein, ihr Stolz, ihre Erfolge machen sie für die Nachwelt zur Vorzeigefrau der Reformation.

Schwere Krankheiten, die gemeinsamen Kinder, der Hass der Reformationsfeinde und die wirtschaftlichen Erfolge schweißen Katharina von Bora und Martin Luther zusammen. In vielen Texten hebt er hervor, dass sein Werk und das der Reformation nicht so gut gediehen wären ohne die tüchtige, sorgende und Anteil nehmende Käthe. „Sie hat allein die ganze Herrschaft in ihrer Hand“, bekannte Luther später einmal.

Sein Tod am 18. Februar 1546 hat dramatische Folgen für „die Lutherin“, obwohl er sie als Alleinerbin eingesetzt hat – ein absoluter Verstoß gegen Gesetz und Tradition und eine enorme Aufwertung der Ehefrau. Die Witwe muss gegen die patriarchalische Obrigkeit um Luthers Erbe kämpfen. Und schon ein halbes Jahr nach Luthers Tod flieht Katharina mit ihren Kindern nach Magdeburg, weil die Reformationsfeinde Wittenberg belagern.

Als sie nach der Flucht ins „Schwarze Kloster“ zurückkommt, ist ihre Lebensgrundlage zerstört, dann wütet 1552 erneut die Pest in der Stadt. Auf der Flucht vor der Epidemie verunglückt die 53-jährige Katharina mit dem Pferdefuhrwerk, erleidet mehrfache Hüft- und Knochenbrüche, von denen sie sich nicht mehr erholt. „Die Lutherin“, wie sie von ihrem Mann oft genannt wurde, stirbt am 20. Dezember 1552 in Torgau.

Ein Film von Lew Hohmann und Dirk Otto