Hebamme Dela

ORF/Point Du Jour

„Wie ein Baum ohne Früchte“ – Filmischer „kreuz und quer“-Essay über verheiratete, aber kinderlose Frauen in Niger und „Sister Mary von Nairobi“ im Porträt

Eine verheiratete, aber kinderlose Frau wird im westafrikanischen Land Niger sehr wenig geschätzt. Denn in Niger genießen Frauen nur dann gesellschaftliche Anerkennung, wenn sie ihren Ehemännern möglichst viele Kinder schenken.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 08. Mai 2018
um 22.35 Uhr, ORF 2

Die nigrische Filmemacherin Aicha Macky, selbst verheiratet und ungewollt kinderlos, setzt sich in ihrem filmischen „kreuz und quer“-Essay „Wie ein Baum ohne Früchte“ am Dienstag, dem 8. Mai 2018, um 22.35 Uhr in ORF 2 mit dem Schicksal ihrer unfruchtbaren Leidensgenossinnen auseinander.

Der unermüdliche Einsatz für Gerechtigkeit prägt das Leben von Sister Mary Killeen. In den größten Slums Afrikas steht die irische Ordensschwester an der Seite der Ärmsten und verhilft damit vielen von ihnen zu einem besseren Leben.

Regisseur Gernot Lercher zeichnet in seiner Dokumentation „Sister Mary von Nairobi“ um 23.20 Uhr das beeindruckende Porträt einer außergewöhnlichen Frau.

Hebamme Dela

ORF/Point Du Jour

„Wie ein Baum ohne Früchte“

„Bei uns in Niger ist die Ehefrau ein schattenspendender Baum für ihren Mann, und sie trägt auch Früchte für ihn“, sagt Aicha Macky im Film: „Ich hingegen bin nur ein Zierbaum, der zwar Schatten spendet, aber keine Früchte trägt.“

Niger ist ein Land mit einer enorm hohen Geburtenrate. Im Durchschnitt bringt jede Frau 7,5 Kinder zur Welt. Daher hat sich die Bevölkerungszahl von 3,2 Millionen auf 20,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner erhöht, seit das Land im Jahr 1960 die Unabhängigkeit von Frankreich erlangt hat.

Und die UNO warnt: Wenn dieser Bevölkerungszuwachs weiterhin ungebremst anhält, wird Niger am Ende des 21. Jahrhunderts mehr als 190 Millionen Menschen beherbergen. Eine Katastrophe für den ohnedies sehr armen Wüstenstaat.

Denn anders als in vielen islamischen Staaten ist Geburtenregelung unerwünscht, ja sogar verpönt – auf dem Land noch stärker als in den Großstädten. Traditionellerweise werden Mädchen hier bereits vor ihrer Volljährigkeit verheiratet und von ihren Ehemännern geradezu genötigt, ein Kind nach dem anderen auf die Welt zu bringen. Daher deutet derzeit wenig darauf hin, dass die Geburtenrate in absehbarer Zeit sinken wird.

Denn nach wie vor bestimmt die Anzahl der Kinder den Status einer Frau innerhalb ihrer Familie. Die Frau mit den meisten Kindern genießt das höchste Ansehen, sie erhält die schönsten Kleider und gesellschaftliche Anerkennung. Im Gegenzug sind ungewollt kinderlose Frau Außenseiterinnen, die von ihren Ehemännern jederzeit verstoßen werden können. Der Ehemann einer kinderlosen Frau hat auch das Recht, sich Zweit- und Drittfrauen zu nehmen, die ihm den ersehnten Nachwuchs schenken können.

Das hat die nigrische Filmemacherin zu einem filmischen Essay über die Situation unfruchtbarer Ehefrauen inspiriert. Selbst verheiratet und ungewollt kinderlos, kennt sie die Lage solcher Frauen. Sie wagt es, die Frage zu erörtern, warum ausschließlich den Frauen Schuld an der Kinderlosigkeit gegeben wird, wo doch auch rund ein Drittel Fälle von Kinderlosigkeit auf die Unfruchtbarkeit der Männer zurückzuführen ist.

Ein Film von Aicha Macky (deutsche Bearbeitung: Rosemarie Pagani-Trautner)

Sister Mary Kileen mit Schulkind auf Spielplatz in der St.Chatherines Schule in Nairobi

ORF/Gernot Lercher

„Sister Mary von Nairobi“

In den Armenvierteln von Nairobi leben mehr als zwei Millionen Menschen. Gefangen in einem Sumpf aus Not und Elend, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Für Sister Mary kein Grund aufzugeben. Seit 40 Jahren stemmt sich die kämpferische Irin gegen Korruption und Misswirtschaft in der kenianischen Hauptstadt, hat Schulen und Lehrwerkstätten inmitten der Armenviertel errichtet und damit Zehntausende Slumbewohner vor Verbrechen, Gewalt und Hunger bewahrt.

Die Wurzeln für ihr unbändiges Streben nach Gerechtigkeit liegen in Irland. Dort ist sie als eines von acht Kindern aufgewachsen – geprägt von den Wertevorstellungen ihres Vaters. Dieser hat als junger Mann – in den frühen 1920er Jahren – an der Seite des legendären Freiheitskämpfers Michael Collins für Irlands Unabhängigkeit gefochten.

Für seinen Film reiste Gernot Lercher nicht nur nach Nairobi, sondern begleitete Mary Killeen auch auf einem ihrer seltenen Heimatbesuche in Irland. Dabei hat sie dem Filmteam buchstäblich die Tür zu ihrer Familiengeschichte in Dublin geöffnet. Im Rahmen einer Willkommensfeier zu Ehren von Mary erinnern sich ihre Geschwister an die gemeinsame Kindheit und ihren Vater, der nach seinem Kampf für Irlands Unabhängigkeit als friedfertiger Polizist das Überleben der Familie sicherte.

„Er hat nicht viel über die Zeit im Bürgerkrieg gesprochen, wir wissen aber, dass er Menschen getötet hat. Das hat auf seiner Seele einen dunklen Schatten hinterlassen. Deshalb war für ihn der Einsatz von Waffen zur Konfliktlösung später auch immer ein Tabu“, erinnert sich Sister Mary an ihren Vater. Sein Grab liegt nur wenige Meter von Michael Collins’ letzter Ruhestätte entfernt.

Die heute 72-jährige Sister Mary blickt zurück auf ihre Anfänge – als junges Mädchen und Jugendliche in einem Irland der Nachkriegszeit, bestimmt von ständigen Entbehrungen. Sie erzählt von ihrer ersten großen Liebe und deren Scheitern, der harten Schule auf der Straße, einer fast todbringenden Krankheit, ihrem Eintritt in den Orden der „Sisters of Mercy“ und ihrer Ausbildung zur Lehrerin.

Als solche wird sie Mitte der 1970er Jahre von ihrem Orden der „Schwestern der Barmherzigkeit“ auch nach Nairobi geschickt. Schnell erkennt sie dort das Fehlen von Schulen in den Slums als größtes Problem. Beharrlich und entschlossen geht sie daran, diesen Missstand zu bereinigen.

Ihre Überzeugungskraft und Furchtlosigkeit, aber auch ihr Humor und ihre stets realistische Lebenseinstellung sind die stärksten Waffen, um Widerstände zu überwinden. Waren es zu Beginn einige kleine Klassenzimmer in Blechhütten, hat Sister Mary mit der Unterstützung internationaler Hilfswerke bis heute vier große Gebäudekomplexe errichtet. 5.000 Kinder und Jugendliche können hier nun jährlich in die Schule gehen und schaffen damit vielleicht einmal den Schritt aus dem Slum.

Gernot Lercher taucht mit Sister Mary tief in die Slums von Nairobi ein und kann dabei beobachten, dass sich die rastlose Irin mit dem Erreichten noch lange nicht zufrieden gibt. „Mit Sister Mary durch die engen, morastigen Gassen zwischen den Blechhütten zu gehen, wird mir immer unvergessen bleiben.

Jeder scheint sie zu kennen, keiner, der nicht direkt oder indirekt von ihren Hilfsprojekten profitiert hätte. Man hat das Gefühl, man ist mit einer Heiligen unterwegs“, erinnert sich Lercher an die Dreharbeiten. „Du kannst so heilig sein, wie du möchtest“, sagt Sister Mary, „wenn du nichts gegen die Armut rund um dich tust, bist du überhaupt nicht heilig, ganz im Gegenteil!“

Die Ordensschwester ist nicht nur nach Bränden im Armenviertel sofort zur Stelle, sondern stemmt sich auch gegen kriminelle Kartelle, die ihr die wertvollen Schulgrundstücke streitig machen wollen. Und sie nimmt es mit der Müllmafia auf, die ihren Abfall in den Slums illegal deponiert und den Bewohnern damit auch noch den letzten Lebensraum nimmt.

Wenn wundert es da noch, dass die streitbare Irin auch von einem Gerichtsverfahren und einer Gefängnisstrafe bedroht wird? „Ich gehe gerne für einige Zeit ins Gefängnis, dann wird sich das Interesse der Öffentlichkeit an unseren Schulen und den Ungerechtigkeiten in den Slums noch weiter verstärken“, sieht Sister Mary auch diese Angriffe pragmatisch.

Beim jüngsten Besuch von Papst Franziskus in Nairobi durfte Sister Mary im Namen aller Hilfsorganisationen zum Heiligen Vater sprechen. Nicht zur Freude der Stadt Nairobi, denn die Irin hat nicht mit Kritik an der lokalen Politik gespart, was man ihr dort sehr übel nahm. Doch Sister Mary reagiert darauf mit einem Schulterzucken, „sie hatten lange genug Zeit, mir zu helfen, und haben es nicht getan. Ich hab nur die Wahrheit gesagt. In meinem Körper fließt eben irisches Blut, und das treibt mich immer weiter an. Denn die Probleme hier in Nairobi werden nicht kleiner.“

Die ORF-Eigenproduktion erzählt die atemberaubende Lebensgeschichte der ebenso beherzten wie unerschrockenen Irin Mary Killeen, die auszog, um die Welt ein klein wenig besser zu machen, ohne dabei ihre unsentimentale Sichtweise auf das Leben und das Sterben zu verlieren. Wo sie denn gerne ihre letzte Ruhestätte finden möchte? „Irland und Kenia, beide Länder sind meine Heimat. Außerdem halte ich wenig davon, Särge durch die Welt zu fliegen. Mein Grab wird also dort sein, wo ich sterbe.“

Ein Film von Gernot Lercher