Mann mit Bart hält goldene Kugel in der Hand

ORF/Metafilm/Julia Jenewein

„Die Akte Galilei - Glaube und Wissenschaft“

Bis heute gilt er als „Märtyrer“ der freien Wissenschaft, der sich einer fortschrittsfeindlichen Kirche mutig entgegenstellte: Galileo Galilei.

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ORF

Sendungshinweis

Di., 09.07.2019
22:35 Uhr, ORF 2

Stimmt nicht, sagen jetzt Wissenschafter/innen. „kreuz und quer“ geht in der von Fritz Kalteis gestalteten Dokumentation „Die Akte Galilei – Glaube und Wissenschaft“ am Dienstag, dem 9. Juli 2019, um 22.35 Uhr in ORF 2 der Sache auf den Grund und fragt auch nach dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Glaube heute.

„Galilei steht im allgemeinen Bewusstsein dafür, dass die katholische Kirche grundsätzlich in einer Gegnerschaft zur modernen Naturwissenschaft gestanden sei und eigentlich immer noch steht“, sagt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf, um im selben Atemzug einzuschränken: „Die Wahrheit ist viel differenzierter.“ Wenn einer die historischen Fakten zum Fall Galilei kennt, dann Wolf.

Er war der erste Wissenschafter, der das Archiv der heiligen Inquisition der römisch-katholischen Kirche erforschen konnte – noch lange, bevor es 1998 von Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., geöffnet wurde.

Wolf hatte einen Plan: einen Bestseller über die prominentesten Opfer der Inquisition zu schreiben. Doch daraus ist nichts geworden: „Obwohl jeder erwartet, wenn Galileo auf dem Index der verbotenen Bücher steht, dann muss das auch für Darwin gelten und für Newton und Planck.“ Tut es aber nicht.

Der Grund: Die Inquisition schmiss nicht einfach alle Naturwissenschafter in den Kerker – im Gegenteil. „Solange ein Naturwissenschafter eine Hypothese vertritt, kann er diese vertreten. Aber sobald einer herging und diese naturwissenschaftliche Hypothese in einen Zusammenhang mit der Bibel brachte, wurde es ein Problem.“

Mann mit Bart schaut auf wissenschaftliche Aufzeichnungen

ORF/Metafilm/Julia Jenewein

Genau das brachte Galileo Galilei zu Fall. Der gläubige Christ konnte es nicht ertragen, dass seine Entdeckungen dem Wortlaut der Bibel offensichtlich widersprachen – und wollte die Kirche dazu bringen, ihre Auslegung der heiligen Schrift auf die Höhe der Zeit zu bringen. Doch damit war Galilei, der kaum eine Gelegenheit zur Provokation seiner Gegner ausließ, zu weit gegangen.

„Wenn jeder angefangen hätte, die Bibel neu auszulegen und damit erfolgreich gewesen wäre, hätte natürlich die Kirche die gesamte Autorität verloren.“ Tatsächlich war der katholischen Kirche die These des Kopernikus, wonach sich die Erde um die Sonne drehte und nicht umgekehrt, längst bekannt.

Jesuitische Astronomen nutzen das kopernikanische Modell zur Neuberechnung des Kalenders. Galilei aber glaubte dank des Teleskops Beweise für die Wahrheit dieser These gefunden zu haben. Doch noch war die Kirche nicht bereit zu akzeptieren, dass die Bibel nicht wortwörtlich zu verstehen ist.

Der Verlierer dieses Disputs ist die katholische Kirche. Ihr hängt seit dem Urteil gegen Galilei der Ruf einer grundsätzlich wissenschaftsfeindlichen Institution nach. Die Naturwissenschaften feierten einen Siegeszug – und wurden in der Zeit der Aufklärung selbst zu einer Art Religion hochstilisiert.

„Es ist nicht Aufgabe der Kirche, rein physikalische Sachverhalte autoritativ zu entscheiden. Die Kirche musste das anerkennen“, sagt der Naturphilosoph Hans-Dieter Mutschler. Dieser Prozess dauerte freilich Jahrhunderte.

Erst beim Zweiten Vatikanischen Konzil verordnete sich die römisch-katholische Kirche selbst eine Beschränkung ihrer Kompetenzen, so Kirchenhistoriker Hubert Wolf: „Die Kirche hat keine Kompetenz, naturwissenschaftliche Erkenntnisse als solche zu beurteilen oder einzuschränken. Sie hat Kompetenzen in dem Bereich, wo es um den Menschen geht, um sein Schicksal und seine Würde.“

Genau hier liegen heute die Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Glaube. Gemeinsam gilt es die Frage zu beantworten, wie weit Naturwissenschaft gehen darf, wo die Grenzen der Anwendung neuer Erkenntnisse liegen. „Niemand darf alles tun, was er kann“, sagt der Naturphilosoph Hans-Dieter Mutschler. Deshalb entscheiden über heikle Fragen heute oft Ethik-Kommissionen, in der auch Vertreter/innen anerkannter Religionsgemeinschaften ihren Platz haben.

Alles eitel Wonne also zwischen Naturwissenschaft und Glaube? Nicht unbedingt, auch wenn heute kein seriöser Theologe mehr gegen Urknall- und Evolutionstheorie ankämpfen dürfte. Wenn aber Hirnforscher/innen neuerdings selbst den menschlichen Geist und damit auch den freien Willen zu einem Nebenprodukt der Gehirnfunktionen erklären, ist eine Grenze überschritten: Denn dann könne „man alles vergessen“, wie es Hans-Dieter Mutschler drastisch formuliert.