Constanze Passin (Journalistin), Maria Happel (Anna Bertha Königsegg)

ORF/Meta Film

„Schwester Courage“ und „Der Friede kommt nicht durch Gewalt - Kolumbien ringt um Versöhnung“

Das „kreuz und quer“-Dokudrama „Schwester Courage“ dokumentiert den Widerstand der Vinzentinerin Anna Bertha Königsegg gegen das Euthanasieprogramm des Nazi-Regimes.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 24. September 2019
um 22.35 Uhr, ORF 2

Im Rahmen des ORF-Zeitgeschichteschwerpunkts „80 Jahre Beginn Zweiter Weltkrieg“ ruft Regisseur Klaus T. Steindl diese heute fast vergessene Widerstandsfigur in Erinnerung.

Er fragt nach dem Menschen Anna Bertha Königsegg und würdigt ihr Vermächtnis.

Um 23.25 Uhr folgt Christian Rathners Film „Der Friede kommt nicht durch Gewalt – Kolumbien ringt um Versöhnung“.

„Schwester Courage“

„Schwester Courage“ – eine Koproduktion von ORF, Metafilm und BMBWF, gefördert von Fernsehfonds Austria und CINE ART – beleuchtet das Schicksal einer „tragischen Heldin“: Anna Bertha Königsegg, Visitatorin der Barmherzigen Schwestern in Salzburg, kämpfte gegen die systematische Tötung von Menschen mit Behinderungen in der sogenannten „Aktion T4“ der Nationalsozialisten – „T4“ stand für die Organisationszentrale mit der Berliner Adresse Tiergartenstraße 4.

Constanze Passin (Journalistin), Maria Happel (Anna Bertha Königsegg)

ORF/Meta Film

Ihr Gewissen ließ Anna Bertha Königsegg handeln, als andere wegschauten: Trotz der Gefahr, verhaftet und in ein Konzentrationslager überstellt zu werden, setzte sich die Ordensfrau für Menschen ein, die im „Dritten Reich“ vernichtet werden sollten. In der „Aktion T4“ ermordeten die Nationalsozialisten ab 1940 systematisch Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen.

Als die Schergen der Salzburger Gauleitung die Heime ihres Ordens räumen und die Schützlinge ermorden wollten, stellte sich Königsegg entschlossen dagegen – dennoch konnten nur wenige gerettet werden.

Für die filmische Umsetzung beschreitet Drehbuchautor und Regisseur Klaus T. Steindl den Weg der maximalen Reduktion: Die Handlung des Dokudramas „Schwester Courage“ spielt in einem einzigen Raum, zeitlich verdichtet auf einen Nachmittag.

Eine junge Journalistin (Constanze Passin), die mit ihren Eltern die Naziherrschaft im Exil überlebt hat, besucht kurz nach Kriegsende die Ordensfrau Anna Bertha Königsegg (Maria Happel), um mit ihr ein Interview zu führen.

Sie hat vom sogenannten „Euthanasie“-Programm der Nazis gehört und ist bei ihren Recherchen auf die Heime der Salzburger Barmherzigen Schwestern und auf den Namen der damals zuständigen Visitatorin gestoßen.

Das Interview entwickelt sich zu einem spannenden Ringen zwischen einer hartnäckigen säkularen Frau und einer gläubigen Katholikin, die sich anfangs skeptisch gegenüberstehen, aber zunehmend erkennen, dass sie dasselbe Ziel verfolgen: eines der furchtbarsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte ans Licht zu bringen.

Im Jahr 1948 tauchten die ersten Artikel über Anna Bertha Königsegg und ihre Taten in mehreren Zeitungen auf. Die Öffentlichkeit begann sich zaghaft für die Geschichte zu interessieren, Journalisten bereiteten die Inhalte auf und starteten Recherchen. Die Journalistin im Film steht für diejenigen, die dem Fall nachgingen, stellt die Fragen, die damals gestellt wurden.

Zusätzliche Spannung entsteht im Film durch die eingefügten dokumentarischen Elemente: neu entdecktes, bewusst gegen Menschen mit Behinderung manipulierendes Propagandamaterial des „Dritten Reichs“, historische Filmaufnahmen, Fotos, Originaldokumente sowie Interviews mit Historikern und Zeitzeugen wie Walter Thaler, dem Bruder eines von den Nazis ermordeten Kindes.

Die Dreharbeiten zu den Spielszenen fanden im Wiener Franziskanerkloster im 1. Bezirk statt, für die Dokumentarszenen wurde an Original-Locations gefilmt wie z. B. im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in Salzburg, im Wohnheim für Menschen mit Beeinträchtigung Schloss Schernberg oberhalb von Schwarzach im Pongau und in der früheren Nazi-Tötungsanstalt Schloss Hartheim westlich von Linz.

Regisseur Klaus T. Steindl: „Ich mache seit 25 Jahren Dokumentarfilme über historische Themen für Zuschauer/innen rund um die Welt. In der Beschäftigung mit Anna Bertha Königsegg kristallisierte sich für mich immer stärker heraus, dass wir für dieses Thema, diese Person, die herkömmliche Doku-Dramaturgie aufbrechen müssen.

Die Inszenierung als intensives, intimes Kammerspiel ohne Sprechertext stellt für mich die einzige Form dar, das Publikum in die Story hineinzuziehen. Präsenz und Können der Darstellerinnen sind so wichtig wie in einem Spielfilm, gleichzeitig ist alles historisch belegt wie in einer klassischen Dokumentation.

In den Spielszenen entspinnt sich ein offener Dialog über Sinn, die Motivation, sich für andere einzusetzen, aber auch zu Fragen nach Gott angesichts der Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs. Im Zentrum steht die Problematik, wie man es schafft, nicht Handlanger eines verbrecherischen Regimes zu werden: Welche Alternativen hatte man? Wie ist es, wenn man spürt, man muss etwas tun – aber weiß, das Handeln kann den eigenen Tod bedeuten?

Wir kennen jetzt viele Antworten. Wissenschafter/innen recherchierten die Geschichte, fanden Akten, Briefe, Eingaben, Zeugen, Erinnerungen, Niederschriften von Beteiligten, um die tragischen Ereignisse rund um den Abtransport der Heimbewohner/innen aus Schernberg und Mariathal zu rekonstruieren.

Es ist ein Film über Zivilcourage, Haltung und Mut zur Menschlichkeit, auch wenn es das eigene Leben kosten kann.“ – „Die Macht des Bösen lebt von der Feigheit der Guten!“ (Anna Bertha Königsegg).

Ein Film von Klaus T. Steindl

„Der Friede kommt nicht durch Gewalt – Kolumbien ringt um Versöhnung“

Der Friedensvertrag, den die kolumbianische Regierung unter Präsident Juan Manuel Santos mit den linken Rebellen der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) ausgehandelt hat, wurde weltweit als mutiger Schritt zum Frieden in einem von Gewalt schwer gezeichneten Land begrüßt.

Pater José Fernando Tobón, Pater Darío Echeverri, Pater Gabriel Mejía Montoya

ORF/Cinevision

Mittlerweile ist die Euphorie weitgehend verflogen. Der Vertrag wird vom neu gewählten Präsidenten Iván Duque in Zweifel gezogen. Aber selbst wenn er von allen eingehalten werden sollte, ist der Weg zum Frieden im Land von Koka und Kaffee noch weit. Zwar ist der Gewaltpegel insgesamt deutlich gesunken.

Aber die sozialen Unterschiede sind nach wie vor enorm. Menschenrechtsaktivisten, aber auch ehemalige Rebellen sind ihres Lebens nicht sicher. Im Streit der Banden, die ihr Territorium in den Barrios der Großstadt verteidigen, sind nach wie vor Morde an der Tagesordnung.

Seit den 1960er Jahren sprechen in Kolumbien die Waffen. Ein endgültiger Ausweg aus dem tödlichen Konflikt zwischen Militär, Guerilla, Paramilitärs und Drogenbanden ist schwer zu finden. Aber er ist das Gebot der Stunde.

Claretinerpater Darío Echeverri González ist der Vertreter der katholischen Bischofskonferenz von Kolumbien in der Nationalen Versöhnungskommission und gleichzeitig deren Generalsekretär. Er hat die Verhandlungen mit der FARC aus nächster Nähe miterlebt und gibt im ORF-Gespräch zu bedenken, dass die Vereinbarung mit der größten Rebellenorganisation des Landes nur ein Teil eines umfassenden Friedensprozesses sein kann. Wesentlicher Teil dieses Prozesses ist eine Erinnerungskultur.

In Medellín haben Leidtragende der Gewalt mit Unterstützung der Stadt ein eindrucksvolles „Haus der Erinnerung“ (Casa de la Memoria) eingerichtet. Es informiert über die vielfachen Gründe des Konflikts und zeigt, wie die Gewalt in das Privatleben einbricht. Denn es sind Väter und Mütter, Geschwister und Kinder, die als Opfer in Erinnerung bleiben.

Granada, eine Kleinstadt nahe der Metropole Medellín, wurde im Krieg fast völlig zerstört. Auch dort – wie in vielen Orten der Umgebung – ringt man nach allem, was geschehen ist, um Versöhnung und Zukunft. Auch dort erinnert ein „Raum der Erinnerung“ an die vielen, die der Gewalt zum Opfer gefallen sind.

Selbsthilfegruppen versuchen, mit Hilfe engagierter Anwälte und Anwältinnen, die Rechte der Opfer einzuklagen, wobei es in vielen Fällen eine Hürde darstellt, überhaupt als Opfer anerkannt zu werden. Viel bleibt noch zu tun, auch wenn in Medellín die Zeichen des Neuanfangs unübersehbar sind. Die „Comuna trece“ zum Beispiel, ein malerisch an Hügeln gelegener Stadtteil von Medellín, hat im Krieg traurige Berühmtheit als Hotspot der Gewalt erlangt. Heute lockt die „Gemeinde 13“ mit Rolltreppen Touristinnen und Touristen an und ist ein Zentrum für Künstler/innen und Kreative.

Seit vielen Jahren versteht Gabriel Mejía Montoya, ein Claretiner wie Darío González, die schwierige Lage seines Landes als Herausforderung. Seine Sorge gilt vor allem jungen Menschen, denen die Gewalt die Zukunft raubt. Mit seiner Stiftung „Fundación Hogares Claret“ hilft er Straßenkindern und Straßenjugendlichen zurück in geregeltes Leben. Jungen Menschen Bildung zu ermöglichen, das ist für ihn die wichtigste Investition in eine Zukunft, in der der Friede keine Utopie mehr ist.

Ein Film von Christian Rathner