Seit 2016 steht eine Arche auf einem Feld in Kentucky, exakt nach den Angaben der Bibel. In ihrem Inneren ist die komplette Erdgeschichte aus der Sicht der Junge-Erde-Kreationisten zu bestaunen.
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Di., 19.01.2021, 22:35 Uhr, ORF 2

Wir glauben an die Arche Noah und Satans Rauch – Der Papst und seine Gegner

Unter den Anhängern von Noch-US-Präsident Donald Trump ist die Ideologie des Kreationismus weit verbreitet: der Glaube, dass die Bibel Wort für Wort wahr sei – auch in naturwissenschaftlichen Fragen.

Di., 19.01.2021, 22:35 Uhr, ORF 2

„kreuz und quer“

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Wir glauben an die Arche Noah

Gott habe demnach die Welt buchstäblich in sechs Tagen erschaffen, Theorien über die Evolution seien Verschwörungstheorien gegen den wahren Schöpfungsglauben.

Der Einfluss der Kreationisten auf Bildung, Wirtschaft und Politik wächst in den USA stetig. Mehr als ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung glaubt an die Arche Noah und sieht die biblische Schöpfungsgeschichte als historischen Tatsachenbericht.

Seit 2016 steht eine Arche auf einem Feld nahe Williamstown in Grant County, Kentucky – 155 Meter lang, 26 Meter breit, 16 Meter hoch – getreu nach den Angaben der Bibel.

In ihrem Inneren ist die komplette Erdgeschichte aus der Sicht der Kreationisten zu entdecken. Die Arche ist das Herzstück eines gerade entstehenden Themenparks, des Arc Encounters, der das Gedankengut der Junge-Erde-Kreationisten auf anschauliche Weise verständlich machen soll.

Nach ihrer Ansicht sind unser Planet und all seine Lebewesen höchstens 10.000 Jahre alt. Wie im 1.Buch Mose beschrieben, hat Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen. Das Erdalter lässt anhand der Altersangaben der biblischen Figuren recht genau feststellen.

Seit 2016 steht eine Arche auf einem Feld in Kentucky, exakt nach den Angaben der Bibel. In ihrem Inneren ist die komplette Erdgeschichte aus der Sicht der Junge-Erde-Kreationisten zu bestaunen.
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Die Schau zeigt lebensgroße animatronisch gesteuerte Sauriernachbildungen und biblische Figuren, Schautafeln und Videos – in betont wissenschaftlicher Aufmachung. Sie soll beeindrucken, bekehren, Seelen retten. Denn wer das Wort Gottes bezüglich der Entstehung der Erde und all ihrer Geschöpfe in Zweifel zieht, ist kein Christ. Evolutionstheorien und all ihre Begleitwissenschaften – das Werk des Teufels.

Das ruft Gegner auf den Plan, die die Machenschaften von Answers in Genesis, der Betreiberorganisation des Arc Encounters, genauer unter die Lupe nehmen. Sie entdecken Unregelmäßigkeiten in der Finanzierung, Steuertricks, unlautere Vertragsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Arc Encounters.

Eine Schlacht in Gerichtssälen, Zeitungen, TV-Auftritten und Social Media zieht noch tiefere Gräben zwischen Kreationisten und jene Christen, die die Evolutionstheorie als erweiterte, wissenschaftliche Erklärung für Gottes Schöpfung anerkennen.

Vierzig Prozent der Amerikaner glauben daran, dass die Erde nicht älter als 10.000 Jahre ist, so die Ergebnisse einer Gallup-Studie aus 2019. Nicht zuletzt ist dieser rege Zuspruch charismatischen Figuren wie Ken Ham geschuldet. Er ist der Initiator der Attraktion biblischen Ausmaßes in Kentucky.

Der gebürtige Australier gründete in den USA die Glaubensgemeinschaft Answers in Genesis, die neben dem Arc Encounter auch ein großes Kreationismus-Museum in Petersburg, Kentucky, betreibt. Ziel von Answers in Genesis ist neben der Gewinnung von neuen Anhängern vor allem auch die Anerkennung des Junge-Erde-Kreationismus als Naturwissenschaft.

„Gottes Wort ist wahr und nicht hinterfragbar“, meint Georgia Purdom vom Kreationismus-Museum in Peterburg. „Wenn wir die Bibel nicht in einem Stück als wahr erachten, ist die gesamte Heilige Schrift nicht mehr glaubwürdig.“ Die Molekulargenetikerin sieht den Inhalt der Bibel als historischen Tatsachenbericht, den es gilt, wissenschaftlich zu untermauern.

Der Film begleitet den Geologen Dan Phelps und David McMillan, einen ehemaligen Kreationisten, bei ihrem Versuch, das Glaubenssystem des Kreationismus und seine Verstrickungen in Wirtschaft und Politik näher zu beleuchten. Allein im Kabinett Trump 2017–2020 sind drei Minister sowie Vizepräsident Mike Pence bekennende Kreationisten.

Regie: Monica Long Ross, Clayton Brown
ORF-Redaktion: Christoph Guggenberger
Deutsche Bearbeitung ORF: Doris Hochmayr

Erzengel Michael sticht scheinbar auf eine (Rauch)wolke ein
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Satans Rauch – Der Papst und seine Gegner

Papst Franziskus ist beliebt, aber nicht bei allen. Zuletzt hat er reformorientierte Kreise enttäuscht, weil er den Vorschlag, das Zölibatsgebot für die entlegenen Gemeinden Amazoniens aufzuweichen, nicht aufgegriffen hat.

Der größte Widerstand gegen sein Pontifikat kommt aber von konservativen und traditionalistischen Gruppen innerhalb der katholischen Kirche. Sie werfen Franziskus vor, er wolle die katholische Lehre verändern und moralische Normen verwässern. Seine Botschaft sei zweideutig und unklar. Sogar von Häresie ist bisweilen die Rede.

„Der Papst ist in der Zange“, konstatiert der Vatikan-Journalist Marco Politi. In seinem neuen Buch über das „Franziskus-Komplott“ stellt er fest, dass sich die kirchliche Opposition gegen den Papst neuerdings mit politisch-ökonomischen Interessen verbündet habe. Damit stehe Franziskus einer breiten Front von Kritikerinnen und Kritikern innerhalb und außerhalb der Kirche gegenüber.

ORF-Journalist und Regisseur Christian Rathner hat für „kreuz und quer“ einige dieser papstkritischen Stimmen gesammelt: in Österreich, in den USA und in Italien. Die einen beklagen, dass seit Jahrzehnten säkular-humanistisches Denken in die Kirche eingedrungen sei. Andere, vor allem in den USA, sorgen sich um ihre katholische Identität in einem protestantisch geprägten Land.

Wiener Gesprächspartner ist der katholische Aktivist Alexander Tschugguel, der sich mit einer Aufsehen erregenden Aktion weltweit einen Namen gemacht hat: Während der Amazonien-Synode im Herbst 2019 in Rom entfernte er Holzfiguren, die die Andengöttin Pachamama darstellen, aus einer Kirche und warf sie in den Tiber – zur Verteidigung des Ersten Gebots, wie er zu Protokoll gibt.

Viel Applaus erhielt er dafür nicht zuletzt in den USA, zum Beispiel von dem katholischen Publizisten und Buchautor Taylor Marshall. Im Interview zitiert Marshall Papst Paul VI., der schon in den Siebzigerjahren davon gesprochen hat, dass der „Rauch des Satans“ in die Kirche eingedrungen sei.

Der Chefredakteur des in New York erscheinenden Magazins „First Things“, Rusty R. Reno, ist katholischer Theologe und kämpft vehement für die Bewahrung einer katholischen Identität in den USA. Die Kirche müsse „Mauern errichten“, um unterscheidbar zu bleiben, sagt Reno.

Eine der Autorinnen von „First Things“, die katholische Historikerin Bronwen McShea, erzählt von den Schwierigkeiten katholischer Einwanderer-Gruppen, ihren Ort in der amerikanischen Gesellschaft zu finden – und von der Sehnsucht vieler junger Katholikinnen und Katholiken nach alten Riten.

Philip Lawler, Autor eines papstkritischen Buches, sagt, die Kirche müsse auf jeden Fall ihre immer und überall gültige katholische Lehre hochhalten. Und damit auch in Zukunft geschiedenen und wiederverheirateten Katholikinnen und Katholiken ausnahmslos die Kommunion verweigern.

Im Kloster Trisulti östlich von Rom möchte der Brite Benjamin Harnwell, Mitgründer des Instituts „Dignitatis Humanae“, gemeinsam mit dem Ex-Präsidentenberater Stephen Bannon eine „Akademie“ errichten, die sich die „Rettung des christlich-jüdischen Abendlandes“ zum Ziel gesetzt hat.

Der Papst predige mehr über Klimawandel und Flüchtlinge als über Sünde und Erlösung, kritisiert Harnwell. Für ihn steht der Papst, der die ökonomische Ungleichheit anprangert, zu weit links. Er solle sich aus der Politik heraushalten, sagt Harnwell. Der Historiker Roberto de Mattei, ein über Italien hinaus bekannter Wortführer der konservativen Opposition in der Kirche, pflichtet Farnwell bei.

Die Kirche solle nicht Brücken bauen, sondern Mauern, findet auch er: Mauern gegen die Feinde unserer Kultur.

Völlig anders sieht der Vatikan-Journalist Robert Mickens den Papst. Wie keiner seiner Vorgänger stelle Franziskus das Evangelium in den Mittelpunkt – also den christlichen Glauben anstelle eines „römischen Katholizismus“ – und mache damit jene nervös, die ihre katholische Identität auf Äußerlichkeiten stützten.

Ein Ende der Debatte ist nicht in Sicht.

Regie: Christian Rathner
Redaktion: Helmut Tatzreiter