Kardinal Christoph Schönborn
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Samstag, 31.12.2022, 19:48 Uhr ORF 2

Kardinal Christoph Schönborn zum Jahreswechsel

Das Leben lässt sich nicht planen, pflegte meine Mutter zu sagen, die heuer im hohen Alter von 102 Jahren verstorben ist.

Wer hätte gedacht, am Anfang des Jahres 2020 dass ein kleiner Virus aus China, die ganze Welt durcheinander bringen wird. Die Pandemie hat alle betroffen, die Jugendlichen, die Kinder und die alten Menschen. Es hat viele Tote gegeben. Es hat viele Spaltungen in der Gesellschaft für oder gegen die Impfung gegeben.

Wer hätte gedacht, am Anfang dieses Jahres, dass auf europäischen Boden, ein schrecklicher Krieg ausbricht. Die Besetzung, die versuchte Eroberung der Ukraine, durch die russischen Armeen. Grauenhafte Opfer, fordern dieser Krieg, zigtausende Tote, Millionen von Flüchtigen und die systematische Zerstörung von zivilgesellschaftlichen Einrichtungen, Schulen, Spitälern und jetzt im Winter diese Zerstörung von Energieversorgungen.

Millionen von Menschen leben ohne Strom, ohne Heizung, in dieser schweren Zeit. Und wir wissen nichts und niemand weiß wann dieser Krieg, endlich ein Ende haben wird. Das Leben lässt sich nicht planen. Wir erleben die Klimakrise, als eine dramatische Wirklichkeit und wir fühlen uns ohnmächtig.

Und wir erleben wieder und wieder große Flüchtlingswellen. Wir fühlen uns ohnmächtig und viele sehen in Sorge in die Zukunft. Wie soll es weiter gehen? Das Leben lässt sich nicht planen. Das unvorhergesehene trifft uns alle.

Folgen des Krieges, die Teuerung, die Inflation, die explodierenden Energiekosten. Wie soll es weiter gehen? Mich tröstet ein Wort, des großen Dichters Friedrich Hölderlin der gesagt hat: „Wo Gefahr wächst, da wächst das rettende auch.“ Es gibt mir Zuversicht, dass es in unserem Land, trotz aller Schwierigkeiten, so viel ehrenamtliche Hilfsbereitschaft gibt.

So viel Zusammenhalt, so viel füreinander Einstehen und füreinander da sein. Lassen wir uns, unser Land und unsere Zeit nicht schlecht reden. Was mir Zuversicht gibt, ist die Erinnerung an die Generation meiner Großeltern. Sie haben zwei Weltkriege erlebt.

Sie haben die Heimat verloren. Sie haben alles verloren. Ihren Besitz, aber sie haben nicht aufgegeben. Sie haben den Wiederaufbau geschafft und wir profitieren heute noch von dem Wohlstand, die sie geschaffen haben. Warum soll es nicht gelingen, der heutigen Generation, mit diesen Herausforderungen, in denen wir jetzt stehen, zu Recht zu kommen und in eine gute Zukunft zu gehen.

Ich lade dazu ein, dass wir auf das gute schauen was geschieht und dass wir dankbar sind. Ich könnte so viele Beispiele nennen. Ich nenne nur eines. Die dreißigtausend Frauen und Männer aus unseren Nachbarländern, die bei uns die vierundzwanzig Stunden Hilfe für alte und kranke Menschen ermöglichen. Es gibt so viel Gutes.

Lassen wir uns nicht entmutigen. Gehen wir mit Zuversicht und Dankbarkeit in das neue Jahr. In die kommenden Jahre. Mit Dankbarkeit und einem guten, soliden Gottvertrauen ist es möglich. Das Leben lässt sich nicht planen aber die Zukunft können wir gestalten durch unsere Dankbarkeit, unsere Bereitschaft zum Miteinander und durch unser Gottvertrauen. Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes, gutes, neues Jahr. Ein gutes 2023.