Das Innere der Synagoge in St. Pölten. Die Renovierung erfolgte in den 1980er Jahren und die Synagoge ist heute als Museum zugänglich.
ORF/Kreativlösung/Gerhard Mader
ORF/Kreativlösung/Gerhard Mader
DI, 31.01.2022, 22:35 Uhr

„Herr Morgenstern und seine Synagoge“ und „Die Rattenlinie – Nazis auf der Flucht durch Südtirol“

Fast die gesamte jüdische Bevölkerung St. Pöltens ist der Shoah zum Opfer gefallen. Die Synagoge: dem Abriss nahe. Doch ein Mann kämpft gegen das Vergessen: Hans Morgenstern.

Di., 31.01.2022, 22:35 Uhr, ORF 2

„kreuz und quer“

Jeden Dienstag um 22.30 Uhr in ORF 2

Seine Lebensgeschichte gibt in der „kreuz und quer“-Neuproduktion „Herr Morgenstern und seine Synagoge“ von Anita Lackenberger, die ORF 2 im Rahmen des Programmschwerpunkts zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust zeigt, tiefe Einblicke in den Umgang mit dem jüdischen Erbe, den Überlebenden und der St. Pöltner Geschichte.

Um 23.10 Uhr folgt Karin Dureggers Dokumentation „Die Rattenlinie – Nazis auf der Flucht durch Südtirol“.

„Herr Morgenstern und seine Synagoge“

Hans Morgenstern wird 1937 in St. Pölten geboren. Gleich nach dem „Anschluss“ verlassen seine Eltern mit ihm Österreich Richtung Palästina. Familienmitglieder und Freunde, die in St. Pölten zurückbleiben, werden ermordet. 1947 kehren Hans Morgensterns Eltern gemeinsam mit ihrem Sohn nach Österreich zurück. Das St. Pölten, das sie kannten, ist ausgelöscht: Die mit so viel Engagement erbaute und 1913 eröffnete Synagoge fast zerstört.

Es ist ein schonungslos offenes Interview, in dem Hans Morgenstern von seiner Geschichte erzählt, die tiefe Einblicke auch in die jüdische Geschichte St. Pöltens gibt.

Seine Eltern fanden „eigene Wege“, mit der Vergangenheit umzugehen: Am Küchentisch der Mutter trafen sich Überlebende und ließen die Geschichte der jüdischen Bevölkerung St. Pöltens vor dem Krieg lebendig werden.

Sein Vater Egon Morgenstern, schon vor 1938 ein angesehener Rechtsanwalt, beschäftigte sich nach der Rückkehr mit vielen Restitutionen, um zumindest rechtmäßigen Besitz wieder herzustellen.

Hans Morgenstern beginnt zu sammeln und zu schreiben. Er sammelt die Bilder der jüdischen Bewohner/innen der Stadt und schreibt ein Lexikon berühmter jüdischer Persönlichkeiten aus aller Welt.

Ihre Geschichten haben ihre Verbindung auch zur St. Pöltner Synagoge, über viele Jahrzehnte ein „Taubenschlag“ kurz vor dem Abriss. Um die Synagoge vor dem Verfall zu bewahren, schreibt Morgenstern einen Brief, der als Initialzündung für den Erhalt und die Renovierung der Synagoge gesehen werden kann.

Wie Experten und Expertinnen erzählen, ist die St. Pöltner Synagoge nicht nur für die jüdische Bevölkerung von Bedeutung, ist sie doch ein Juwel des Jugendstils, das viel über die Geschichte zu offenbaren vermag. Zerstört wurde sie während der Novemberpogrome 1938, bei denen auch ein großer Teil der wertvollen Innenausstattungstücke verschwand bzw. vernichtet wurde.

Die Interviews mit Hans Morgenstern, Martha Keil (Wissenschaftliche Leitung Institut für Jüdische Geschichte) und Thomas Pulle (Leiter Stadtmuseum St. Pölten) führen durch den Film und lassen gemeinsam mit zahlreichen Originalmaterialien das „Jüdische St. Pölten“ wiederauferstehen.

Ein Film von Anita Lackenberger

Die italienische Hafenstadt Genua war ein wichtiger Fluchtpunkt vieler NS-Größen aus dem besiegten Nazi-Deutschland.
ORF/Wega Film

„Die Rattenlinie – Nazis auf der Flucht durch Südtirol“

Die „kreuz und quer“-Dokumentation begibt sich auf die Spuren führender Nazi-Größen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs stand bei vielen dieser Nazis vor allem eine Region auf ihrem Fluchtplan: Südtirol. Ebenso wie Adolf Eichmann oder Martin Bormann wählten viele NS-Funktionäre den Weg über die Dolomiten. Es war die sogenannte „Rattenlinie“.

Unterstützung bekamen die Nazis auf der Flucht aus der Region: Hier eine kleine Diözese oder der Wirt eines Gasthofs am Grenzübergang, dort das Netzwerk des Vatikans oder ehemaliger Parteigenossen und alte Sympathisanten.

Südtirol war territorial und staatsrechtlich „Niemandsland“. Nur hier war es nach dem Krieg möglich, so ein engmaschiges Unterstützer-Netz zu knüpfen.

Ein Schwerpunkt der Dokumentation ist die Darstellung der Rolle katholischer Würdenträger bei der Fluchthilfe. Im damaligen Südtirol spielte der Kampf gegen den Kommunismus, die Fokussierung auf die nationale Frage und die Solidarität mit dem Deutschtum eine große Rolle.

In diesem Kontext müssen die damaligen Aktivitäten eingeordnet werden. Der Film greift dabei neue Forschungsergebnisse österreichischer Historiker/innen auf und begleitet die Urenkelin von Martin Bormann bei ihrer Spurensuche in der Durchgangsschleuse Südtirol.

Ein Film von Karin Duregger