Lexikon der Religionen:

Gottesreich

Für die Christen die gerechte Welt nach dem jüngsten Gericht

Das Gottesreich (im Neuen Testament auch „Himmelreich“ genannt) ist die Vorstellung einer gerechten Welt nach dem Ende der Geschichte. Dieses Reich wird von allen drei monotheistischen Religionen erwartet, der Islam nennt es Paradies („al-Dschanna“). Im Judentum spricht man von der „kommenden Welt“, in die die Toten nach dem Kommen des Messias eingehen.

Eine Welt ohne Schmerz und Tod

Für Christen hat es aber schon auf verborgene Weise mit dem Auftreten jenes Jesus von Nazareth begonnen, der als „Christus“ (der Gesalbte) verstanden wird, durch den Gott seinen Willen zu erkennen gibt. Das Gottesreich wird als Zustand einer heilen Welt beschrieben, in der es weder Schmerz noch Tod gibt und Gott als alleiniger gerechter Herrscher regiert. Dem Gottesreich geht das Gericht voraus, das jeden einzelnen Menschen nach seinen Taten beurteilt und über seine Zulassung zum Leben im Gottesreich entscheidet.

Darstellung des „neuen Jerusalem“ in der Offenbarung

Diese Vorstellungen sind in den Reden Jesu, wie sie das Neue Testament wiedergibt, angedeutet. Volle Entfaltung des Szenariums liefert das letzte Buch der Bibel, die „Geheime Offenbarung des Johannes“. Sie entstand in einer Zeit des römischen Kaiserkults und erster Christenverfolgungen und beschreibt den dramatischen Kampf und die zeitweise Herrschaft der bösen Mächte gegen die Verkünder des Gottesreiches und deren endgültigen Sieg.

Im Bild des „neuen Jerusalem“, in dem Gott unter den Menschen wohnt, wird das siegreiche Gottesreich dargestellt. Die Christen der ersten Generationen wie zum Beispiel der Apostel Paulus waren sicher, den Beginn des Gottesreichs noch selbst erleben zu können. Erst allmählich setzte sich die Einsicht durch, dass die Wiederkunft Christi als Beginn der Endzeit sich verzögern würde (Parusieverzögerung).

Theorie von den drei Reichen

Katastrophen, Kriege und Verfolgungen haben die ganze Geschichte hindurch Endzeiterwartungen heraufbeschworen und religiöse Visionäre dazu verleitet, den baldigen Anbruch des Gottesreiches zu verkünden. Um das Jahr 1000 wurde der Beginn eines Tausendjährigen Friedensreichs erwartet. Im 12. Jahrhundert stellte der Einsiedler und Zisterzienserabt Joachim von Fiore (1130/1135 bis 1202) die Theorie von den drei Reichen auf, die der Trinität entsprechen. Das Erste Reich des Vaters würde dem Alten Testament entsprechen, mit Christus beginne danach das Reich des Sohnes und zuletzt folge das Reich des Heiligen Geistes, in dem die Seligkeit des himmlischen Jerusalem anbricht.

Versuche, die Endzeit zu datieren

Religiöse Gruppen haben seither immer wieder die Endzeit vorausgesagt und datiert. Die „Adventisten“, gegründet vom baptistischen Prediger William Miller (1782 bis 1849) errechneten das Weltende und die Wiederkunft Christi für verschiedene Termine in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts. Charles Taze Russell (1852 bis 1916) gründete die „Zeugen Jehovas“, die sich zuerst Bibelforscher nannten. Auch er meinte das Ende der Zeit aus der Bibel errechnen zu können. Nach Angaben für 1878 oder 1871 legte er sich auf 1914 fest. Sein Nachfolger Joseph Franklin Rutherford gab 1925 an. Später glaubte man an das Jahr 1975. Heute werden keine bestimmten Daten mehr genannt.

Die großen christlichen Konfessionen verstehen die Zeitangaben der Bibel metaphorisch und halten sich an das Wort Jesu: „Himmel und Erde werden vergehen, […] doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, […] nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater“ (Mt 24, 35 f.).

Übersichtsartikel zum Christentum

Siehe dazu auch im ORF-Religionslexikon: