Lexikon der Religionen:

Heilige

Besonders verdienstvolle Menschen mit Vorbildwirkung

Alle Religionen kennen besonders verdienstvolle Menschen, die durch ihre Lebensweise anderen als Vorbilder gelten und oft mit Wundertätigkeit in Verbindung gebracht werden. Ihnen wird Anerkennung gezollt: Heilige. Ein Personenkult wird allerdings nicht überall daraus.

Sie werden verehrt und von einigen bewahrt man sogar Teile ihres Körpers, ihres Besitzes oder Gegenstände, die sie berührt haben, auf. In dieser Ausprägung findet sich die Verehrung von außergewöhnlichen Personen vor allem in der katholischen Tradition. Doch auch in anderen Religionen kennt man Frauen und Männer, die aufgrund ihrer Lebensweise oder durch das Erlangen der Erleuchtung als religiös und ethisch vollkommen gelten.

Der Begriff „Heilige“ lässt sich nicht auf alle Religionen gleichermaßen anwenden, Phänomene, die das Besondere - Heilige - vom Alltäglichen - Profanen - abgrenzen, finden sich universal. Grabstätten oder Reliquienschreine werden in fast allen Traditionen zu Orten der Verehrung und Pilgerstätten. Durch die sterblichen Überreste glaubt man, eine Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits erhalten zu können. Heilige üben hiermit eine Mittlerfunktion zwischen Gott und den Menschen aus.

Katholischer Kult

Besondere Blüten hat die Heiligenverehrung im katholischen Christentum getrieben, was zu einer großen Zahl von Heiligen und einer Flut an Reliquienverehrungen führte. Mumifizierte Körper, Haarlocken, Knochen und andere Körperteile werden aufbewahrt und verehrt. Fast jeder Tag des Jahres ist in katholisch geprägten Gebieten einer oder einem Heiligen zugeordnet.

Durch die Heiligsprechung bekundet die katholische Kirche ihr Vertrauen, dass die damit bezeichnete verstorbene Person die Vollendung bei Gott bereits erreicht hat. Damit darf diese Person von Gläubigen auf der ganzen Welt verehrt und um Fürsprache gebeten werden. Bei Seligen ist das nur in jener Diözese, in der sie seliggesprochen wurden, erlaubt.

Aufwendiges Verfahren in katholischer Kirche

Generell sind die Seligen eine Art Vorstufe zu den Heiligen. Damit eine Person seliggesprochen werden kann, muss ein kompliziertes Prüfungsverfahren durchlaufen werden. Im Zuge dessen wird zunächst der „heroische Tugendgrad“ der Person festgestellt. Darüber hinaus muss die Person entweder ein Martyrium erlitten oder ein wissenschaftlich nicht erklärbares Wunder bewirkt haben.

Für den „Aufstieg“ vom Seligen zum Heiligen ist dann in der Regel die Anerkennung eines zweiten solchen Wunders durch eine vatikanische Prüfungskommission nötig - bei Johannes XXIII. hat Papst Franziskus kürzlich darauf verzichtet. Verläuft das in der Regel Jahrzehnte oder länger dauernde Verfahren positiv, erklärt der Papst, dass die Person als Heilige oder Heiliger bezeichnet werden darf und als solcher verehrt werden soll.

Evangelische Kirche: Gedenken statt Anbetung

Die evangelische Tradition hebt sich von der katholischen, gerade was die Praxis der Heiligenverehrung betrifft, erheblich ab. Immerhin gelte es als einer der spürbarsten Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Kirche, dass es eben in der evangelischen Kirche keine Heiligen zu geben scheint. Ursprünglich hätten sich die ersten Christen als Glaubende oder Heilige bezeichnet, sagt der evagelische-lutherische Bischof A.B., Michael Bünker.

Ab dem zweiten Jahrhundert seien Märtyrer oder Asketen mit dem Begriff „Heilige“ gemeint gewesen. Die evangelische Kirche kennt zwar Gedenken an Heilige, nicht aber die Anbetung der Personen. Heiligkeit sei im evangelischen Verständnis nicht so sehr das Ziel menschlicher Lebensführung, sondern eine Gabe Gottes an die Gemeinschaft, so Bünker - mehr zur Gründungsbewegung der evangelischen Glaubensrichtung im Eintrag „Reformation“.

„Freunde Gottes“ im Islam

Menschen, die mehr tun als nur ihre Pflicht erfüllen, sogenannte „Freunde Gottes“ haben auch im Islam Stellenwert. Zeynep Elibol, Leiterin der islamischen Fachschule für soziale Bildung, nennt hier Rabia aus Basra, eine Frau, die am Beginn des 9. Jahrhunderts im heutigen Irak lebte, die Waise und Sklavin war und die eine besondere Mystik und Nähe zu Gott entwickelt haben soll.

„Sie symbolisiert in der islamischen Mystik die Liebe, die frei ist von jeglichem Egoismus“. Rabia habe auf die Frage, ob sie Gott liebe, mit „Ja“ geantwortet, gleichzeitig festgehalten, dass sie deswegen aber den Satan nicht hasse, da sie der Hass von der Liebe zu Gott ablenken würde, so Elibol. Personenkult allerdings ist im Islam verpönt, denn dabei stehe oft plötzlich der Mensch im Vordergrund und Gott werde vergessen.

Jüdische Wallfahrtsorte

Obwohl in der jüdischen Tradition mit persönlicher Heiligkeit sehr sparsam umgegangen wird, haben sich in der Praxis mehrere Gräber als Orte der Verehrung etabliert. Beispiele dafür sind unter anderem die Gräber der Erzväter in Hebron oder das Davidsgrab in Jerusalem. Diese gelten als Wallfahrtsziele.

Askese und Nirvana

Anders als im Judentum, Christentum und Islam gibt es keine vergleichbaren Gottesvorstellungen im Buddhismus. Das Leben wird oft mit Leiden in Verbindung gebracht. Ziel des buddhistischen Weges ist das „Erlöschen“ des „Ich-Wahns“. Am Ende steht Nirvana - ein Zustand, für den es weder Raum noch Zeit gibt. Von „Erleuchteten Wesen“, die heilsam denken, reden und tun und so den Menschen helfen, den rechten und „heilsamen Weg“ zu gehen, sogenannten Boddhisatvas, erzählt die Buddhistin Ursula Lyon. Und: Es könne jeder Mensch Bodhisattva werden, indem man Gier, Hass und Ich-Sucht ablege, so Lyon.

In den Hindu-Religionen und im Jainismus gelten Menschen, die durch Askese und Meditation höhere Bewusstseinszustände erlangen, als „Heilige“. Einen vermittelnden Charakter haben sie aber nicht. Verehrt werden religiöse Lehrer, wie etwa Shankara, Ramakrishna und Mahatma Gandhi.

Weltreligionen im ORF-Religionslexikon

Siehe dazu auch im ORF-Religionslexikon: