Lexikon der Religionen:

Christentum

Das Christentum ist mit rund 2,3 Milliarden Anhängern die größte der fünf Weltreligionen. Christen glauben an die Dreieinigkeit: Auch Jesus Christus als Messias und der Heilige Geist sind Manifestationen des einen Gottes.

Das Christentum ist aus dem Judentum hervorgegangen. Ein gewisser Jesus (Aramäisch „Jeschua“) aus der Stadt Nazareth in Galiläa im nördlichen Palästina, geboren etwa im Jahr 4 vor unserer Zeitrechnung, begann als Dreißigjähriger als Wanderprediger aufzutreten. Er sammelte einen engeren Kreis von Gefährten um sich, die Apostel, hatte aber weitaus mehr Anhänger, darunter auch Frauen, die ihn begleiteten und unterstützten.

Jesus’ Intention war die Erneuerung und Verinnerlichung des jüdischen Glaubens aus der Vollmacht einer unmittelbaren Beziehung zu Gott, den er Vater nannte. Er verstand sich als Repräsentant des beginnenden Gottesreichs. Damit geriet er in Konflikt mit den damals herrschenden religiösen Autoritäten und wurde der römischen Besatzungsmacht verdächtig. Er lehrte nur wenige Jahre. Sein Leben endete in der demütigenden Form der Hinrichtung durch die Römer – am Kreuz.

Gott offenbarte sich durch Jesus

Nach seinem Tod machten Jesus’ Anhänger Erfahrungen, die sie zur Überzeugung kommen ließen, dass Gott ihn auferweckt hat (Auferstehung). Diese Erfahrungen sind in den Schriften des Neuen Testaments der Bibel niedergelegt, die in einem Zeitraum zwischen 20 und 70 Jahren nach dem Tod Jesu entstanden sind. Darin wird Jesus der „Christus“ genannt, in dem sich Gott in menschlicher Gestalt offenbart und den Tod überwunden hat. Mit ihm hat nach dem Glauben der Christen das Gottesreich bereits begonnen.

Die biblischen Schriften des Neuen Testaments, die an die Schriften der jüdischen Bibel anschließen, sind Zeugnisse des Lebens und der Lehre Jesu. Im Gegensatz zu den anderen Schriftreligionen (Judentum: Thora, Islam: Koran) ist es für das Christentum aber nicht eine Schrift, in der sich Gott offenbart hat, sondern die Person des Jesus von Nazareth.

Umfassende Liebe zentraler Glaubensinhalt

Das Bekenntnis dazu begründet die Zugehörigkeit zum Christentum. Bis heute gilt als Zeichen dafür das Sakrament der Taufe, die den Tod des „alten Menschen“ symbolisiert – ursprünglich durch vollständiges Untertauchen ins Wasser und Auftauchen zum neuen Leben. Im Zentrum christlicher Lebensführung steht der Anspruch zur umfassenden Liebe, auch gegenüber den Feinden.

Das Leben der Christen und Christinnen ist von Zusammenkünften, den Gottesdiensten, geprägt, in denen aus den heiligen Schriften gelesen wird und in deren Mittelpunkt das gemeinsame Essen (Abendmahl - Kommunion, Eucharistie) stattfindet, durch das sich die Christen der Gegenwart des Jesus Christus vergewissern.

Rasche Ausbreitung durch Paulus

Jesus und alle seine ersten Anhänger waren Juden. Der erste Theologe und früheste neutestamentliche Schriftsteller, selbst ausgebildeter Rabbiner, der Apostel Paulus, öffnete die christliche Botschaft nach Auseinandersetzungen mit den übrigen Aposteln auf dem Apostelkonzil für Nicht-Juden (Heiden). Das führte zu einer raschen Ausbreitung des Christentums, das sich trotz wiederkehrender Verfolgungen im römischen Reich durchsetzte und zu Beginn des 4. Jahrhunderts (313) anerkannt wurde.

Der Eintritt des Christentums in die politische Öffentlichkeit führte zu tiefgreifenden Veränderungen. Gegensätzliche Interpretationen der Lehre wurden auf mehreren Konzilien diskutiert und führten zu ersten Spaltungen - mehr dazu im Eintrag Konfessionen. Als das Christentum zur verpflichtenden Staatsreligion erklärt wurde (380), stellte sich der neuen Volksreligion ein intensives religiöses Leben im Mönchstum gegenüber. Die zuvor selbst verfolgten Christen begannen nun ihrerseits Andersgläubige zu verfolgen. Das Mittelalter ist von zum Teil blutigen Ketzerverfolgungen geprägt.

Spaltung zwischen ost- und weströmischer Kirche

Zwei große Spaltungen prägen das Christentum bis heute. Die lateinische Westkirche (römisch-katholische Kirche) und die griechische Ostkirche (orthodoxe Kirchen) schlossen einander 1054 aus und vollzogen damit auch die Entfremdung nach, die die Teilung des römischen Reiches in Ost- und Westrom nach sich gezogen hatte.

Die Reformation innerhalb der Westkirche ab 1517 wandte sich gegen eingerissene Missstände und mahnte die Rückbesinnung auf die Bibel ein. Daraus entstand eine große Zahl verschiedener evangelischer Kirchen und Konfessionen, die zunächst auch untereinander uneins waren.

Das Christentum heute

Erst im 19. Jahrhundert entstand eine Ökumenische Bewegung („Ökumene“), die zur Annäherung der Kirchen führte. Die römisch-katholische Kirche begann sich nach dem Zweiten Weltkrieg der Ökumene zu öffnen, lehnt aber nach wie vor die Abendmahlsgemeinschaft mit den evangelischen Kirchen ab.

Von den weltweit zwei Milliarden Christen gehören etwas mehr als die Hälfte der römisch-katholische Kirche an. Zu neuen Diskriminierungen und Verfolgungen von Christen kommt es in autoritär-atheistischen und in mehrheitlich islamischen Staaten. Letztere sind noch von der Abwehr des europäischen Kolonialismus geprägt, der Hand in Hand mit der christlichen Mission islamische Länder ausgebeutet hatte. In Europa und Nordamerika setzt eine zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft die traditionellen Kirchen unter Druck. Die Bindung an Großinstitutionen lässt nach, während das Bedürfnis nach Spiritualität außerhalb der tradierten Formen zunimmt.

Weitere Übersichtsartikel zum Christentum

Andere Weltreligionen im ORF-Religionslexikon