Selig sind die Spötter

Guido Tartarotti, Kolumnist bei der Tageszeitung KURIER und Kabarettist zur Frage, ob Gott lachen kann und wie viel Humor Religionen vertragen.

Montag, 3.7.2013: Humor ist in den meisten Religionen ungefähr so beliebt wie Ehebruch oder Heavy-Metal-Musik. Warum? Weil Religion eine ernste Sache ist, sagen sie, da geht’s um Leben und Tod und Jenseits, darüber habe man nicht zu lachen.

In Wahrheit fürchten sie den Humor, weil Humor eigenständiges Denken voraussetzt und Angst lösend wirkt. Wer einmal das Lachen gelernt hat, dem kann man nicht mehr so leicht einreden, dass er zwei Millionen Jahre lang in einem Suppentopf im Fegefeuer gedünstet und täglich zwei Mal vom Teufel persönlich mit dem Dreizack in den Hintern gepiekst wird, nur weil er vielleicht am Karfreitag zwischen 9 Uhr 50 und 10 Uhr 2 seines Nächsten Weib begehrt hat.

Dogmatiker gibt es überall

Wenn mich mein Vater etwas fragte, und ich gab eine Antwort mit dem Zusatzvermerk „glaub ich“, dann pflegte er zu sagen: Glauben tut man in der Kirche. Heute tut man glauben auf Facebook. Niemand will ja mehr in die Kirche, es sei denn, zu Besichtigungszwecken. Weil aber fast niemand aushält, an nichts zu glauben, suchen sich die Leute neue Religionen. Und die leben sie dann auf Facebook aus. Man erkennt sie daran, dass sie alles verstehen, nur keinen Spaß. Mit der säuerlichen, selbstgerechten, eitlen Spaßbefreitheit aller Dogmatiker schleichen sie in gebückter Haltung durch die sozialen Netzwerke, stets auf der Suche nach jemandem, den sie zwangsmissionieren oder zumindest abmahnen können.

Gedanken für den Tag

Montag bis Samstag, 6.56 Uhr in Ö1.

Und zum Nachhören auf der Homepage von Ö1 unter der Rubrik „7 Tage Ö1“ und mit der Ö1 Radio-App für Smartphones.

Als selbst ernannte MoralpolizistInnen und TugendmissionarInnen korrigieren sie politisch zu wenig korrekte Formulierungen, fordern genderneutrale Schreibweisen ein, rufen dazu auf, sich zu Veganismus und abgasarmer Lebensweise zu bekehren und posten gnadenlos einen Sonnenuntergang nach dem anderen, verziert mit unerträglich selbstgerechten, bis zur Unkenntlichkeit abgewetzten Zitaten von mongolischen Philosophen oder Indianerhäuptlingen.

Das, was diese selbsternannten Planetenretter am wenigsten ertragen, ist Humor. Denn: Wie kann man nur lachen, wenn das Klima sich wandelt, die Donau über die Ufer tritt, in der Türkei demonstriert wird, die Frauenquote zu niedrig ist, Tiere gegessen werden und Lehrer vielleicht bald mehr arbeiten müssen? Meine persönliche Erfahrung: Humor ist so ziemlich das einzige, das uns hilft, das Leben zumindest eine Zeitlang zu überleben, und zwar mit Würde.

Gestaltung: Alexandra Mantler