Bibelkommentar zu Genesis 8, 1 – 12

Ich habe im Archiv der Superintendentur eine Familienbibel aus dem Jahr 1794 - 30 mal 46 cm groß -, die zahlreiche bildliche Darstellungen und den biblischen Text ergänzende Informationen enthält, gefunden.

In dieser Bibel findet sich auch eine genaue Darstellung der Arche Noah mit Größenangabe, genauer Zeichnungen mit allen Kabinen und Räumen sowie einer Auflistung, welche Tierpaare in welchem Raum der Arche untergebracht waren.

Paul Weiland
ist Superintendent der evangelischen Diözese St. Pölten

Raumplan der Arche Noah

So erfahren die Leser in dieser Bibelausgabe, dass sich die Leoparden im Abteil G im untersten Stockwerk befanden, die Schafe dagegen im Raum L im mittleren Stockwerk, wo auch der Lebensvorrat, unter anderem geräucherte und eingesalzene Fische, verwahrt wurden. Noah selbst wohnte mit seiner Familie, so wie alle Arten von Vögeln, im obersten Stockwerk.

Diese ausgeschmückte Darstellung der Arche Noah ist spannend und interessant, aber sie zeigt zugleich, dass alle menschlichen Vorstellungen vom Leben und von den Erfahrungen des Lebens immer nur in den jeweiligen menschlichen Denkmustern wahrgenommen und ausgedrückt werden können. Das Eigentliche der Geschichte steht hinter den vordergründigen Aussagen und Überlegungen.

Geplant ist die Vernichtung der Schöpfung

Der Predigttext erzählt vom Ende der Sintflut. Die enormen Regenfälle, die das gesamte Land unter Wasser gesetzt haben, hören auf. Noah muss noch ca. ein Jahr lang warten, bis er mit allen anderen Menschen und Tieren wieder festen Boden betreten kann. Das Leben geht weiter.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 2.2.2014, 7.05 Uhr, Ö1

Dabei war das am Anfang der Geschichte gar nicht ausgemacht. Denn am Anfang der großen Flut, da stand der ebenso große Zorn Gottes. Seine Erfahrung mit den Menschen. Und die war alles andere als schmeichelhaft. Er sieht die Bosheit auf Erden. Er sieht, dass das Dichten und Trachten der Menschen immer nur böse war und ist. Und er fasst einen grausamen Entschluss: Die Menschheit soll vernichtet werden. Gott will sein Schöpfungswerk rückgängig machen.

Aber einen nimmt er dann doch aus von der Vernichtung: Noah, er hat Gnade bei Gott gefunden. Nun kann man fragen, was hat sie gebracht die Sintflut, die große Bestrafungsaktion Gottes? Hat das alles dazu geführt, dass die Menschen nun eine gerechte Einstellung, eine humane Gesinnung, eine solidarische Verantwortung haben, kurz, dass sie bessere Menschen geworden sind?

Gott ändert sich

So zu denken und zu fragen, ist ja nicht verkehrt. Viele pädagogische, religiöse, politische und andere Bestrebungen haben ja auch genau dieses Ziel. Aber die Erzählung von der Sintflut hat eine überraschende Pointe. Am Ende wird nicht der Mensch anders, am Ende wird Gott anders.

Das Leben geht weiter. Ja, es geht gut aus. Aber es geht nicht deswegen weiter, weil der Mensch jetzt auf einmal edel, hilfreich und gut ist. Es geht weiter, weil Gott sich geändert hat. Die Bibel wiederholt am Schluss der Geschichte von der Sintflut fast wörtlich die Worte Gottes, die am Anfang Anlass waren für den Entschluss, die Menschheit zu vernichten.

So steht am Ende des 8. Kapitels: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist Böse von Jugend auf. Und ich will nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.“ Und dann kommt die wunderbare Zusage Gottes: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“, die in das schöne Symbol des Regenbogens als Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen mündet.

Das Leben geht weiter

Bei der Sintflutgeschichte geht es nur sehr vordergründig darum, welches Tier in der Arche wo untergebracht war oder ob die Größenangaben so überhaupt stimmen können, und wie denn alle Tiere und auch die Menschen über ein Jahr lang in diesen beengten Platzverhältnissen überleben konnten.

Eigentlich geht es um das Menschenbild, die Erkenntnis, dass Menschen trotz aller großartigen Leistungen zu denen sie auf allen Gebieten der Kultur, der Medizin, der Technik befähigt sind, immer die gleichen sind: Zerbrechlich, gefährdet, angefochten, verführbar, unvollkommen. Sie garantieren nicht die Zukunft.

Dass das Leben weitergeht, und das ist die eigentliche Botschaft dieses Textes und meine tiefe Überzeugung, sichert der Gott, der sich bedingungsfrei dem Menschen zuwendet und ihm Zukunft gibt, so lange die Erde steht.