Bibelkommentar zu Hebräerbrief 13, 12 – 14

Seit jeher wandert die Menschheit. Sogar eine ganze Epoche wurde danach benannt, als während der Völkerwanderung im Frühmittelalter die Stämme durch Europa zogen.

Auch die Bibel erzählt von Wanderungen: Schon Adam und Eva suchen eine neue Heimat nach der Vertreibung aus dem Paradies. Abraham, Urvater der monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, wanderte von Palästina nach Ägypten. Von dort wanderte das Volk der Juden 40 Jahre durch die Wüste und auch Jesus Christus galt als jüdischer Wanderprediger.

Marco Uschmann
ist evangelischer Theologe, Pfarrer und unter anderem auch Chefredakteur der evangelischen Zeitung SAAT

Wandern als religiöses Motiv

Die weiteste Interpretation des Wanderns als religiöses Motiv aber findet sich im Hebräerbrief: Hier gelten die Christen als wanderndes Gottesvolk, auf der Suche nach der „göttlichen“ oder „zukünftigen Stadt“, in der die Menschen zur Ruhe kommen werden. Dort finden sie ihre Heimat. Ursprünglich sind ja die Juden in der Bibel das „wandernde Gottesvolk“. Das Volk Israel erfährt sich als von Gott erwählt auf dem Weg zum verheißenen Ziel, dem „gelobten Land“, wie Martin Luther es übersetzt.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 6.4.2014, 7.05 Uhr, Ö1

Auch heute wandern Menschen, sie verlassen ihre Heimat und suchen eine neue. Ich selbst bin inzwischen vor rund 20 Jahren ausgewandert, wie es so schön heißt - 1000 Kilometer weit von Norddeutschland nach Österreich. Ich habe mir damals bessere Arbeitsbedingungen in Österreich versprochen, für mich und meine Familie eine bessere Zukunft gesehen. Es war nicht einfach, von Norddeutschland nach Tirol, mit zwei Kindern dabei, fünf und zehn Jahre alt. Anderes Klima, andere Menschen, andere Sprache. Wir wurden sehr freundlich aufgenommen, und inzwischen haben wir alle eine neue Heimat in Österreich gefunden.

Heimat ist ein Lebenskonzept

Aber auch dieses Land bietet, wenn es nach dem Hebräerbrief geht, „keine bleibende Stadt“. Das „wandernde Gottesvolk“ in diesem Brief, in elegantem Griechisch um die erste Jahrhundertwende geschrieben, findet erst in der „zukünftigen, der göttlichen Stadt“ Heimat.

Das klingt ein bisschen nach Vertröstung - ist es aber nicht. Denn die Wanderung findet ja hier und jetzt statt. Dazu muss man sich nicht unbedingt aufmachen und 1000 Kilometer entfernt eine neue Heimat suchen. Heimat bedeutet ja viel mehr als ein Dach über dem Kopf: Heimat bedeutet Freunde, Familie, ein Lebenskonzept.

Ziel der Wanderung

Das wandernde Gottesvolk im Hebräerbrief bekommt dabei Orientierung durch den Glauben an Jesus Christus. Das ist heute nicht anders. Denn Heimat richten sich die Menschen ja ein in der Gegenwart, wenn es denn gelingt. Und dazu gehört es auch, hin und wieder den Ort zu wechseln und sich auf die Wanderschaft zu begeben. Den Ort wechseln kann aber auch bedeuten, eine neue Partnerschaft einzugehen, eine andere Arbeit zu finden, kurz: etwas Neues beginnen im Leben.

Eine neue Heimat zu suchen - und zu finden. Dabei ist es gut, einen Wegweiser zu haben. Die Bibel schlägt Jesus Christus bei dieser Wanderung und Suche vor. Dadurch rückt die andere und zukünftige Stadt des Hebräerbriefes ein gutes Stück näher. Denn im Reich Gottes, wie die Bibel es nennt, findet sich ja das Ziel der Wanderung. Und die beginnt immer mit dem ersten Schritt.