Der Wert des Unsäglichen

„Die Kunst lehrt uns das, was der Dialog erfahrbar macht und was auch die Wissenschaft mehr und mehr bekennt: Alles ist nicht wie es scheint“, sagt der Intendant des „Dialogikum Phönixberg“, Ulrich Reinthaller.

Ulrich Reinthaller am 3.7. in den Gedanken für den Tag:

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Schauspieler Ulrich Reinthaller

Ulrich Reinthaller/Pressebilder

Ulrich Reinthaller ist Schauspieler, Dialogprozessbegleiter und Intendant des Niederösterreichischen Dialogfestivals „Dialogikum Phönixberg“.

Dialog. Wenn ich darüber nachdenke, worin das Wunder des Dialogs tatsächlich besteht, so staune ich selbst darüber, dass eben dieses Wunder beinahe unfassbar, unhaltbar, im besten Sinne un-säglich zu sein scheint. Das Unsägliche – es erschreckt mich heute, anders als früher, nicht mehr. Das Wunder des Dialogs vollzieht sich nicht nur im Wort. Zwischen den Zeilen, zwischen dem einen und dem anderen Gespräch, da sickert es, formt es sich um, da kommt es zur Ruhe und taucht in neuem Gedanken-Spiel wieder empor.

Das Unsägliche beschwören

Der Wert des Unsäglichen - ist es heute noch möglich, ihn zu beschwören? Heute, da wir uns dem Messbaren verschrieben haben, in einer Zeit, in der die Wiederholbarkeit zum Maß dafür geworden ist, ob wie etwas für gültig ansehen. Haben wir noch Platz für das Unbegreifliche?

Sind wir vielleicht hier, um zu sagen: Haus, Brücke, Brunnen, Tor, Krug, Obstbaum, Fenster, Rilkes Worte, die Worte des Dichters. Kunst und tiefe Wissenschaft. Nicht messbar, nicht wiederholbar - man könnte sie kein zweites Mal gleich sprechen, gleich denken, gleich fühlen. Die Kunst lehrt uns das, was der Dialog erfahrbar macht und was auch die Wissenschaft mehr und mehr bekennt: Alles ist nicht wie es scheint. Wir selbst können uns nicht aus dem Spiel nehmen, als ob wir nichts zu tun hätten mit der zu erforschenden Welt.

Hinweis:

Die „Duineser Elegien I-V“ von Rainer Maria Rilke, gelesen von Ulrich Reinthaller sind als Hörbuch auf CD erschienen und ab sofort im Handel erhältlich.

Indem wir sprechen und die Welt in höchstem Maße persönlich beleuchten, indem wir uns einbringen, als Menschen, die niemals gleich und wiederholbar sind, eröffnet sich ein Wissen, das nicht am Seziertisch gefunden werden kann. Der Dialog baut Brücken. Er versöhnt Kunst und Wissenschaft, Mystik und Menschheit. Nicht da, wo wir mit Wahrheiten prahlen. Sondern da, wo wir fragen und uns erlauben, auf unsägliche Weise in die Antwort hineinzuwachsen, die schon bereit liegt und die sich doch niemals ganz erschließt.

Musik:

Georg Philipp Telemann (1681 - 1767)
Allegretto - 1.Satz
Aus: Konzert für Blockflöte, Streicher und B.c. in C-Dur

Interpreten: Mainzer Kammerorchester
Label: Metropolitan 59016