Die Quintessenz des Lebens

„Kann es sein, dass man beispielsweise die Pietà von Michelangelo nicht „schön“ findet? Was rührt mich an ihr? Die virtuose handwerkliche Meisterschaft des unglaublich jungen Künstlers?“, fragt Martin Ploderer.

Martin Ploderer am 22.11. in den Gedanken für den Tag:

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Kann es sein, dass man beispielsweise die Pietà von Michelangelo nicht „schön“ findet? Was rührt mich an ihr? Die virtuose handwerkliche Meisterschaft des unglaublich jungen Künstlers? Michelangelo war damals zwischen 23 und 25… Der so tiefe menschliche Ausdruck des Leidens dieser Mutter? Kann die Darstellung so unerträglicher Schmerzen „schön“ sein? Hier schließt sich ein Kreis.

Martin Ploderer

Martin Ploderer

Martin Ploderer ist Schauspieler, Sprecher und Regisseur

Wahrhaftigkeit als Schönheit

Es ist diese unglaubliche Annäherung an das, was ich doch als Realität, Authentizität, Wahrheit zu begreifen glaube, was mich berührt, erschüttert, ergreift. Augenblicke höchster Wahrhaftigkeit können mich zu Tränen rühren und erschüttern, und sie sind doch gleichzeitig auch ungeheuer schön… Schönheit als Ausdruck tiefer – oder höchster? – Wahrheit – gewissermaßen als Wahrheitsbeweis, ja – als Gottesbeweis? Nun, so einfach ist das wahrscheinlich nicht. Und dennoch…

Am Ende seines Lebens schuf Michelangelo die „Pietà Rondanini“ – seine letzte Skulptur. Über 50 Jahre nach der ersten Pietà das Werk eines zweifellos gereiften Menschen. Hier bekommt Schönheit noch eine ganz andere Dimension – aber es ist doch zweifellos auch Schönheit – wohl, weil es einfach um Wahrheit geht… Wer hat die Anzahl an Paradoxa im bisher Gesagten mitgezählt? Nun, ich denke, auch hierüber Einstimmigkeit zu erzielen wäre ein Ding der Unmöglichkeit.

Erfüllung des Lebens...

Ich stelle mir immer viele Fragen – und ich begnüge mich nicht gerne mit der Behauptung, es sei wichtiger, Fragen zu stellen als Antworten zu finden. Und sei es auch nur, weil jede Antwort auch schon wieder die nächste Frage stellt… Ich glaube, im Laufe meines Lebens wachse ich im besten Fall immer tiefer hinein in mein Bewusstsein.

Die materielle Welt, die mich umgibt, ist dabei nicht ohne Bedeutung. Kann ich diese in Freiheit als dienende richtig einordnen, mich selbst der Wahrheit stellen, um dadurch die Fähigkeit zu entwickeln, Schönheit zu erfassen, dann bin ich der Erfüllung des Lebens schon sehr nahe: Wahrheit – Freiheit – Schönheit – eine unzertrennliche Trias, deren Quintessenz des Lebens Grundlage bildet: die Liebe.

Musik:

Franz Schubert (1797 – 1828)
Menuetto : Allegretto. Trio - 5.Satz
Aus: Oktett in F-Dur DV 803 op.posth.166 für Streicher und Bläser

Interpreten: Academy of Ancient Music Chamber Ensemble
Label: L’oiseau lyre 425519-2