Kurzessay zu Lukas 24, 35 – 48

Unter allen biblischen Osterberichten empfinde ich den hier geschilderten nachgerade ärgerlich.

Während es etwa Maria aus Magdala untersagt bleibt, den Auferstandenen zu berühren, während in der Episode mit dem Zweifler Thomas die Nicht-Sehenden und Dennoch-Glaubenden seliggepriesen werden, ist die hier überlieferte Szene von einer geradezu primitiven Sinnlichkeit. Der Auferstandene will ausdrücklich berührt werden an „Fleisch und Knochen“, um dann noch eins draufzusetzen mit dem Verzehr von gebratenem Fisch vor aller Augen. Die ganze Szene wirkt einfach platt; und ihre naiv-geradlinige Beweisführung – „Seht doch, wie leibhaftig ich lebe: Ich habe Fleisch und Knochen und bin sogar imstande zu essen wie ein normaler Mensch!“ – das führt doch nur zu neuer Skepsis: Soll das jetzt die ganze Auferstehung gewesen sein, wenn am Ende nur dieselbe Körperlichkeit dabei herauskommt wie zuvor?

Markus Schlagnitweit
ist Künstler- und Hochschulseelsorger

Die biblischen Osterberichte zeigen sich also widersprüchlich: tiefgründig-rätselhaft die Einen, vordergründig-platt die Anderen. Vielleicht spiegelt das nur die generelle Schwierigkeit wider, von der Auferstehung verständlich zu reden. – Auffallend an allen biblischen Osterberichten ist nur eines: dass die so unterschiedlichen Begegnungen mit dem Auferstandenen die Anwesenden keineswegs sofort zu glühenden Missionaren des Osterglaubens gemacht hätten. Meistens wirken sie zunächst eher verdattert, hin und her gerissen zwischen Begeisterung und Skepsis, zwischen Ansätzen von Verstehen und lähmender Ratlosigkeit. Man gewinnt den Eindruck: ihr gewohntes Weltbild hat durch den Tod Jesu und die darauf folgenden Begegnungen mit dem Tot-Geglaubten einen Riss bekommen. Die bisher so eindeutig und klar wirkenden Kategorien von Leben und Tod, von Traum und Realität sind irgendwie aus den Fugen geraten.

Der reformierte Schweizer Dichter-Pfarrer Kurt Marti spricht im Zusammenhang mit dieser Ostererfahrung von einem „Ur-Sprung“: Am Anfang des Osterglaubens steht ein Sprung, den der vermeintlich fest gefügte Rahmen allen Lebens zwischen Geburt und Tod durch die Ostererfahrung erhält. Und zugleich steht am Anfang des Osterglaubens ein Sprung, der niemandem erspart bleibt, der sich darauf einlassen möchte: der Sprung in das Wagnis eines Lebens, in welchem der Tod keine Endgültigkeit mehr besitzt.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 19.4.2015, 7.05 Uhr, Ö1

Die ersten Auferstehungszeugen blieben am Anfang also vor allem ratlos Staunende. Zum Staunen gehört, dass es ohne Zwang geschieht, also ohne innere Logik oder sonst wie zwingende Notwendigkeit. An die Auferstehung zu glauben, bleibt also immer noch ein Akt der Freiheit: Ich muss nicht – ich darf.