Kurzessay zu Johannes 2, 1 – 11

Das erste öffentliche Auftreten Jesu findet auf einer Hochzeit statt. Das ist – finde ich – ein schöner Beginn. Es beginnt mit einer Hochzeit. Und mit einem Wunder.

Thomas Meurer nennt Wunder „Geschichten vom unerwartet guten Ausgang“. Im Johannesevangelium werden Wunder „Zeichen“ genannt, Zeichen weisen auf etwas anderes hin und wollen dies sichtbar machen, wie z.B. Verkehrszeichen oder Abzeichen… Als Zeichen dafür, was von Jesus und was von Gott sichtbar sein soll, sind bei Johannes sieben Zeichen überliefert. Sieben gilt als Zahl der Fülle, manchmal gedeutet als die Summe von drei und vier, wobei drei als die göttliche Zahl und vier als die Zahl der Erde (im Sinne der vier Himmelsrichtungen) verstanden werden. Sieben ist dann die Verbindung von Himmel und Erde, von Gott und Welt.

Helga Kohler-Spiegel
ist Professorin an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg, FB Humanwissenschaften, Psychoanalytikerin, Psychotherapeutin und (Lehr-)Supervisorin

Gott und Glauben

Eine Hochzeit und ein Weinwunder sollen Jesus und den Gott Jesu sichtbar machen. In Kürze könnte ich den Text so verstehen: Wo Jesus, wo Gott ins Spiel kommt, geschehen Wunder, d.h. nehmen Geschichten einen unerwartet guten Ausgang. Schön wäre das, denke ich mir. Ich kenne leider viele Geschichten, in denen für Menschen „Gott“ mit im Spiel ist, und die Geschichten nehmen keinen unerwartet guten Ausgang.

Das Johannesevangelium schafft eine andere Verbindung. Die Begriffe „Gott“ und „Glauben“ sollen konkret werden. Im Johannesevangelium gibt es „glauben“ nur als Zeitwort, als „Tunwort“, wie man im Volksschulunterricht dazu sagt. „Gott“ und „Glauben“ gibt es nur konkret: Gott wird konkret im Menschen Jesus, in der Zuwendung, in der Liebe. Dann kann ich das Wort „Gott“ mit „lieben“, „in Beziehung sein“ ersetzen. Und dann macht es für mich wieder Sinn, was in der christlichen Bibel heute im Mittelpunkt steht: Wo Menschen in Beziehung sind, wo Menschen lieben, da können „Wunder“ geschehen, das heißt, da können Geschichten einen unerwartet guten Ausgang nehmen. Wie in jeder Ouvertüre wird also am Beginn des Auftretens Jesu sichtbar, worum es geht.

Manchmal geschehen Wunder

Aber: In Beziehung sein und lieben heißt nicht, dass es da immer nett und sanft zugeht. Das zeigt dieser Text auch: Maria bindet ihren Sohn ein, ohne dass sie ihn fragt, das kommt nicht gut, das wissen wir heute. Er wehrt sich auch sofort, die Mutter übergeht seine Widerrede, er macht es dann doch… Dass es in Familien solche Verstrickungen gibt und Auseinandersetzungen, das ist nicht neu. Und dennoch steht am Beginn des Weges Jesu genau dies: In den Verstrickungen der eigenen Familie, bei den großen Festanlässen, genau in den realen Beziehungen, so wie sie nun einmal sind, da kann eine Veränderung geschehen, vielleicht sogar ein Wunder, eine Situation mit einem unerwartet guten Ausgang.

Erfüllte Zeit
Sonntag, 17.10.2016, 7.05 Uhr, Ö1

Dazu braucht es „Wandlung“, Verwandlung, Veränderung. Das sagt der heutige Text auf vielfältige Weise. Es braucht Wandlung vom Wasser zum Wein, vom Lebensnotwendigen zum Überfluss. Es braucht Wandlung der Beziehungen, was als Mutter-Sohn-Konflikt beginnt, endet mit veränderten Beziehungen, mit Kontakt, mit einem Miteinander. Nicht alle Verstrickungen in den Familien enden mit Veränderung. Aber manchmal geschehen Wunder.