Bibelessay zu Johannes 20, 1 – 18

Anstatt eines zu erwartenden theologischen Traktates - verpackt in eine wortgewaltige Rede Jesu -, finden sich in diesem Osterevangelium des Johannes seltsam leise Töne und sehr viel emotionale Dynamik.

Nachdem Maria Magdalena das leere Grab sieht, läuft sie zu den Jüngern, zwei von diesen laufen ebenfalls, sogar um die Wette, alle verstummen dann unmittelbar am Ort der Auferstehung. Maria aus Magdala weint, beugt sich ins Grab hinein und dreht sich später wieder weg. Es klingt plausibel, dass sie in diesem Text ständig in Bewegung ist. Anders als am Karfreitag, an dem sie nur stehend unter dem Kreuz verharren kann, löst Ostern eine Dynamik aus, da dieses Ereignis zutiefst mit Leben zu tun hat und von daher Bewegung, Aufbruch, Umwendung und Begegnung impliziert.

Thomas Schlager-Weidinger
ist katholischer Theologe an der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz, Autor und Historiker

In der nachfolgenden Szene entfaltet der Evangelist die zentrale Bedeutung einer konkreten Begegnung für den Osterglauben. Da Ostern das Erkenntnisvermögen übersteigt – und man wie die Jünger im leeren Grab verstummen müsste – braucht es eine andere Form der Vermittlung: Statt einer intellektuellen Aussage bedarf es einer existenziellen Zusage. Interessanterweise schildert Johannes das Ostergeschehen mit Maria Magdalena als intime Zweierszene. Bereits in seiner ersten Abschiedsrede, nachzulesen im 14. Kapitel des Johannesevangeliums, deutet Jesus Ostern als Liebesbegegnung: „Wer mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“. Maria kann hier an die liebevollen und für sie so heilsamen Begegnungen mit dem irdischen Jesus anschließen, in der Form jedoch gibt es eine Veränderung.

Erfüllte Zeit
Ostersonntag, 16.4.2017, 7.05 Uhr, Ö1

Jesus wehrt ihre körperliche Berührung ab. Dadurch verweist er auf seine zukünftige Seinsweise in einer neuen anderen Sphäre, in der die Gesetze des Gewohnten nicht mehr gelten. Der Auferstandene kann nicht mehr auf welthafte Weise wahrgenommen werden. Begegnung geschieht im Glauben, zu dem wesentlich dazugehört, das Unverfügbare als solches gelten zu lassen, es also nicht in den Griff zu bekommen. Dass bei Johannes die Liebe den Vorrang vor dem Amt und vor der Stellung hat, zeigt sich auch darin, dass sie zur Sendbotin für die Männerjünger wird.

maria magdelena

sieben dämonen
hat er einst
deiner seele entrissen:
unverhofft fühlst du
den beginnenden tag
in der mitte der nacht

seitdem folgst du
diesem mann
mit haut und haar
mit hab und gut

nicht mehr angst
bestimmt dein dasein
entschlossen stehst du
unterm kreuz
wo kaum jünger
mehr zu finden
mitzerstört
der hauch von hoffnung

früh
als es noch dunkel ist
kommst du zum grab
doch weggerollt
der schwere stein

verzweifelt holst du hilfe
und stehst weinend nebenbei
kummer verdeckt deinen blick
nicht erkannt
dem du gefolgt

erst als er dich
beim namen nennt
gehen dir
die augen auf

doch vorbei
die zeit des anfangs:
nicht festhalten
und für dich behalten
kannst du ihn

mit-teilen nur
der heil und sinn