Bibelessay zu Johannes 6, 60 – 69

Hat mein Glaube an Gott etwas mit meinem konkreten Leben zu tun? Genügt nicht auch ein anstrengender Lebensentwurf ohne Gott? Ist es nicht ausreichend, ein wenig religiös zu sein, ganz nach meinen eigenen Vorstellungen, Wünschen und Interessen? Was heißt schon „glauben“?

Das Evangelium zu diesem Sonntag ist keine seichte Frohbotschaft, es verlangt von mir eine Entscheidung: „Willst auch du weggehen?“ - Dieses Wort trifft mich und es macht mich bescheiden und demütig. Es lässt mich aber auch ehrlich eingestehen, wie weit ich manchmal entfernt bin von dem, was „Glauben an Gott“ heißt.

Pater Karl Schauer
ist Bischofsvikar für Wallfahrtswesen, Tourismusseelsorge und Berufungspastoral der Diözese Eisenstadt

Ab und zu religiös

Christlicher Glaube ist keine Ideologie, die mir übergestülpt wird. Christlicher Glaube ist kein Rezeptbuch für ein besseres Leben, keine Wellness-Spiritualität als Motor für meine eigene Selbstverwirklichung. Christlicher Glaube reicht auch nicht aus, um den Kulturpessimisten ihre eigenen Ängste zu nehmen. Christlicher Glaube meint etwas ganz anderes als irgendeine Art von Religiosität mit ihren modischen Stimmungen und esoterischen Praktiken.

Wäre es nicht genug, irgendwie und ab und zu etwas religiös zu sein? Das würde den Wünschen und Sehnsüchten meiner Lebenseinstellung doch viel eher entsprechen als ein Glaube in seiner ganzen Radikalität?

Wer ist ein Christ?

Wer glaubt und Gottes Wort hört, aufnimmt und in das Leben dieser Welt hinein übersetzt, bekommt es zuerst einmal mit Gott zu tun, der ein radikales Geheimnis bleibt. Alle Versuche, ihn in die eigene Regie zu nehmen, bleiben lächerlich und blasphemisch. Allerdings gibt Gott sich zu erkennen, er selbst sucht jene, die ihn suchen. Das ist der wirkliche Anfang des Glaubens - ohne mein Zutun. Der von den Menschen nur erahnte Gott hat sich uns bekannt gemacht im Gottmenschen Jesus Christus - in Raum und Zeit, als Mensch unter uns Menschen. Wer sich seinem Wort öffnet, wird ein Gott-Suchender, einer, der unterwegs ist zu ihm. Gott gehört nicht den „religiös Sicheren“, er ist stets ein größerer Gott, immer auch ein Gott der anderen, die ihn noch nicht kennen. Jedoch das vage Fühlen einer überirdischen Macht ist noch nicht die Erkenntnis des wahren Gottes, und die gelegentliche Versenkung in das eigene Innere ist noch kein christlicher Gottesdienst. Vom Glauben an Gott kann nicht nur unverbindlich geredet werden.

Lebenskunst
Sonntag, 26.8.2018, 7.05 Uhr, Ö1

Einen Christen erkenne ich nicht am Religionsvermerk in den persönlichen Urkunden, auch nicht daran, ob in der Wohnung ein Kreuz hängt oder ob jemand religiöse Symbole trägt, sondern in seinem Offensein Gott und dem Nächsten gegenüber, da sich Gott durch Christus mit uns Menschen solidarisiert hat und in der Welt durch das Zeugnis der Gottsuchenden gegenwärtig sein will.

Der Weg, nicht das Ziel

Am heutigen Sonntag besucht Papst Franziskus Irland. Viele warten darauf, dass er die großen Wunden in und das Versagen der Kirche anspricht. Kirchenkosmetische Maßnahmen reichen nicht aus, oberflächliche Modernisierung der Kirchenrhetorik und neue Evangelisierungsmaßnahmen treten zu kurz. Der Aufschrei des Geschundenen am Kreuz verhallt nicht in einer religiösen Romantik, sondern trifft die Lebenden und Leidenden unserer Tage, die Menschen gestern und morgen. Die Kirchen müssen sich noch viel mehr an die Grenzen menschlicher Existenz hinauswagen.

Als Christ und Priester muss ich sagen: Gottes Wille geht mich etwas an! Auch wenn es weh tut und unverständlich bleibt. Glaube rechnet mit dem lebendigen Gott und nicht nur mit einer vagen Idee eines jenseitigen Wesens. Er verlangt von mir Entschlossenheit, gegebenenfalls auch Widerstand, die Fähigkeit des Mit-Leidens in dieser Welt und die Anteilnahme am Schicksal der anderen, vor allem der Geschundenen, ob jung, alt, fremd oder vergessen.

Die Kirche kann und darf kein Rezept liefern, aber die Christen können das Wissen um den Gotteshorizont lebendig halten. Diese Welt, in der ich lebe, ist nicht das Ziel, sondern der Weg. Diese Welt ist nicht das letzte Wort Gottes. Sie ist sein erstes. Sie ist seine Verheißung.

Die provozierende Frage Jesu im Evangelium trifft mich: „Willst auch du weggehen?“ Ich möchte antworten können: „Herr, zu wem soll ich gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!“