Bibelessay zu Lukas 6, 27-38

Selten ist es mir so schwer gefallen, die passenden Worte zum Sonntagsevangelium zu finden. Wie kann ich diesem Evangelium in der atemlosen Umbruchssituation der Welt, in dieser aus ihren Angeln gehobenen Kirche, in meinem Leben, das sich nie außerhalb der großen Lebenszusammenhänge abspielt, Raum geben?

Verunsicherungen, Machtinteressen, Selbstherrlichkeit, ein Übermaß an Aggressionen, in Hass gekleidete Botschaften, grenzenlose Ausnützung der Menschen, Gewalt, und noch viel mehr - das ist die Wirklichkeit des Lebens, heute vielleicht in einem Ausmaß, das uns alle, so auch mich, manchmal zermürbt. Die Gesellschaft ist gespalten, viel zu viele politische Clowns und Populisten haben das Sagen.

„Große Momente und erbärmliche Schieflagen“

Wäre es da nicht besser die Augen zu verschließen und in eine Mystik der Weltferne und der Lebensentfremdung zu flüchten? Das Leben nur zu kommentieren, mich zu bemitleiden, als Zuschauer auf die Bühne der Wirklichkeit zu starren, ist feig und überheblich. Als angefochtener und herausgeforderter Mensch stehe ich mitten drin im Leben, mit seinen großartigen Momenten und seinen erbärmlichen Schieflagen. Es bringt mich nicht weiter, sondern bringt mich eher um, wenn ich nur mehr gebannt und sensationsgierig auf das Versagen von Menschen zeige.

Pater Karl Schauer ist Bischofsvikar in der Diözese Eisenstadt für die Bereiche Wallfahrtswesen, Tourismusseelsorge und Berufungspastoral.

In diesen Tagen hat Papst Franziskus die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen weltweit, nach Rom gerufen. Eine Menge für die katholische Kirche beschämender und für die Opfer unsagbar schmerzhafte Vorfälle werden deutlich benannt. Die Kirche ist nicht besser als die Welt, manchmal sogar schlechter, lieblos und unaufrichtig. Längst nicht alles, was sich in der 2000-jährigen Kirchengeschichte ereignet hat, war eine Erfolgsgeschichte, oder wie man es theologisch nennen könnte, eine Heilsgeschichte. Blut und Tränen haben tiefe Spuren auch in unserer Europäischen Kultur hinterlassen. Ich frage mich, entfernen sich die Menschen von der Kirche oder die Kirche von den Menschen?

„Verknüllte, verbeulte Kirche“

Eine Kirche, die den Blick auf die Welt und die Menschen verstellt und sich nur mit eigenen Strukturreformen beschäftigt, wird blind und vergisst das Evangelium Christi. Das Evangelium braucht nicht die selbsternannten Evangelisatoren. Übrigens, Gott kommt immer früher zu den Menschen als der Missionar. Das Evangelium braucht Mutige, die Hoffnung und Freude, Trauer und Angst der Menschen teilen. Eine verknüllte, verbeulte Kirche, eine, die sich schmutzig macht, eine Kirche ohne Berührungsängste, will Papst Franziskus.

Sendungshinweis

„Lebenskunst - Begegnungen am Sonntagmorgen“, Sonntag, 24.2.2019; 7.05 Uhr, Ö1.

Sie muss eine dienende Kirche sein, nicht eine besserwisserische. Segnen, solidarisch leben, lieben ohne Erwiderung, Gutes tun, auch wenn nur Argwohn zurückkommt, nicht verurteilen, nicht aufrechnen und nicht abrechnen, nicht richten und zudem noch vergeben! So handelt Gott, wie ich glaube! Und er liebt die Menschen nicht, weil sie wertvoll sind, sondern wir alle sind wertvoll, weil Gott uns liebt. Diese Gewissheit gibt mir eine ungeahnte Freiheit in meinen großen und kleinen Lebenswelten. Freiheit und Mut braucht es, um den Politclowns und Populisten dieser Welt, den Opportunisten in der katholischen Kirche, entgegenzutreten.