Bibelessay zu Lukas 23,35-43

An diesem Sonntag begeht die römisch-katholische Kirche ein Hochfest, das Christkönigsfest. Es wurde 1925 nach dem Niedergang der Monarchien eingeführt. Damals war es ein Zeichen gegen die Gefahren der radikalen Trennung von Staat und Religion, damit verbunden aber auch gegen Nationalismus und vor allem in den Folgejahren den aufkommenden Führerkult.

Selbsternannten Heilsbringern wurde allein die Herrschaft Christi entgegengesetzt, die für Christen verbindlich sein sollte. Heute sind solche Tendenzen wieder bedrohlich zu spüren. Wenn im Evangelium eine Szene aus der Passion, dem Leiden und Sterben Jesu, zu lesen ist, so weist das einmal darauf hin, dass die Erhöhung des als Messias verehrten Jesus aufs Engste mit seiner Hinrichtung verbunden ist.

Gerhard Langer
ist katholischer Theologe. Er lehrt am Institut für Judaistik der Universität Wien

Loser und König

König wurde Jesus nicht, weil er ein großartiger und überlegener Führer war, sondern weil er das Kreuz auf sich nahm, das Leiden, die Demütigung, um einer Sache willen, einer Überzeugung willen, einer Botschaft willen. Es ist das Kreuz, auf dem das Königtum proklamiert wird. Darauf verweist zwar die offizielle Theologie ständig und niemand kann übersehen, dass Christentum ohne Kreuzesgeschehen nicht verständlich ist. Gleichzeitig hat die Kirchengeschichte daraus nicht immer den Schluss gezogen, dass Herrschaft und Macht mit Demut und Leid in Verbindung stehen.

Christus wurde bereits im biblischen Kolosserhymnus zum Pantokrator, zum Weltherrscher, seine Herrschaft und sein Königtum wurde aufs Äußerste ausgedehnt. Ohne Jesus, so hieß es, keine Sicht auf den Vatergott, ohne Christus keine Erlösung. Dabei ist ein Stück weit die Botschaft des Evangeliums verlorengegangen, in der es nicht zuletzt um das Leiden Unschuldiger geht und um die Kraft der Umkehr und der kritischen Selbstbesinnung.

Lebenskunst
Sonntag, 24.11.2019, 7.05 Uhr, Ö1

In der aktuellen Zeit lese ich die Botschaft des heutigen Evangeliums auch als laute Kritik an einem Menschenbild, das wiederum die Macher, die Erfolgreichen und Starken verehrt und auf die Schwächeren herabblickt, sie verhöhnt und als Loser abstempelt. So gesehen war Jesus tatsächlich ein Loser, einer, der sich mehr oder weniger wehrlos gegenüber der übermächtigen Herrschaft zeigte. Verspottet, gedemütigt, verachtet, ja, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. So könnte man das Schicksal des Wanderpredigers zusammenfassen. Ich weiß nicht, ob er in der westlichen Gesellschaft heute eine Chance hätte, über seinen Tod hinaus wahrgenommen zu werden. Dass er einem Verbrecher, der ihn in Schutz nimmt, das Himmelreich verspricht, würde man wohl auch eher als verrückt einstufen.

Jesus Christ Superstar

Jesus hat kein Unternehmen gegründet, geschweige denn eine Partei, aber er ist auch nicht griesgrämig und mit erhobenem Zeigefinger durch die Lande gezogen, um zu missionieren, wofür auch immer. Gleichzeitig war er nicht bequem und angepasst. Er war viel zu wenig Selbstdarsteller und wir haben keine Ahnung, wie er aussah. Ein 70er Jahre Musical inszenierte ihn als Pop-Superstar, aber wie müsste eine moderne Inszenierung aussehen? Mir graut davor, mir Jesus als Instagram-Star vorzustellen, als Influencer oder als einen Blogger für Wein und Fisch und den täglichen coolen Spruch.

Und trotzdem hat es dieser, unter Anführungszeichen, Loser geschafft, wahrlich eine Berühmtheit zu werden, vor der alle Stars und Sternchen blass erscheinen. Warum wohl? Weil seine Botschaft nicht flüchtig und vergänglich, sein Auftreten nicht inszeniert und launisch, seine Haltung wegweisend und über die Zeiten gültig blieb. Insofern, auch wenn es altmodisch klingt, freue ich mich über das Christkönigsfest. Es bestärkt mich darin, den Verlockungen der allzu schnelllebigen und unerträglich oberflächlichen Starkultur nicht nachzugeben und mich wieder darauf zu besinnen, was im Leben wesentlich ist. Und wachsam zu bleiben gegen all jene Strömungen und zeitgeistigen Erscheinungen, die Menschen oder Ideologien auf fragwürdige Weise verehren.