Maria – Von den Höhen und Tiefen einer Mutter

Große Gestalten der Bibel – menschlich gesehen, Teil 2: Noch bevor sie geboren wurde, war Maria von Gott auserwählt. Das besagt das Fest Maria Empfängnis, das heute in der katholischen Kirche gefeiert wird.

Es hat nichts mit der jungfräulichen Geburt Jesu zu tun. Der 8. Dezember bezieht sich darauf, dass Maria, neun Monate vor dem Fest Mariä Geburt am 8. September, von ihrer Mutter Anna empfangen wurde. Und zwar, wie es heißt, ohne Erbsünde empfangen wurde. Das könnte man so übersetzen, dass das junge Leben von Anfang an vor Schuld bewahrt war: der Prototyp eines erlösten Menschen. Maria war befreit von dieser Last, die von Generation zu Generation vererbt wird. Heute ist diese Last der sogenannten Erbsünde besonders spürbar, wenn die Jungen anklagend fragen, welche Erde ihnen die Älteren hinterlassen.

Josef Bruckmoser
ist katholischer Theologe, Wissenschaftsjournalist und Buchautor

Unangenehmer Auftrag

Doch Menschen, die von Gott in besonderer Weise auserwählt sind, haben kein leichtes Leben. Das sehen wir schon im Ersten Testament bei den Berufungsgeschichten mancher Propheten. So sagt Gott zu Jeremias: „Noch bevor ich dich im Leib deiner Mutter entstehen ließ, hatte ich schon meinen Plan mit dir. Denn zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.“ Jeremias wehrt ab: „Ich kann doch nicht reden, ich bin doch noch zu jung!“ Aber der Herr antwortet: „Sag nicht: ‚Ich bin zu jung! Geh, wohin ich dich sende, und verkünde, was ich dir auftrage! Hab keine Angst vor Menschen, denn ich bin bei dir und schütze dich.“

Der Auftrag Gottes bedeutet meist, der Welt eine Botschaft zu bringen, die sie nicht hören will. Das hat Jesus von Nazareth erlebt. Das haben Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela in ihrem gewaltlosen Kampf gegen Fremdherrschaft, Rassendiskriminierung und Apartheid erlebt. Das haben die Friedensnobelpreisträgerinnen Wangari Maathai und Malala Yousafzai in ihrem Kampf um nachhaltige Entwicklung, Frauenrechte und Demokratie erlebt.

Marias Last

Maria von Nazareth hat es als Frau und Mutter erlebt. Folgt man den Erzählungen der Bibel, hat das relativ harmlos begonnen, als sie und Josef ihren 12-Jährigen in Jerusalem verloren haben. Als sie ihn endlich im Tempel finden, stößt ihr pubertierender Jüngling seine Eltern vor den Kopf: Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich genau dort bin, wo ich hingehöre?

Lebenskunst
Sonntag, 8.12.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Auch bei der Hochzeit von Kana bekommt die Mutter nur eine schroffe Abweisung zu hören. Dem Brautpaar ist der Wein ausgegangen. Maria ist überzeugt, dass Jesus den jungen Leuten aus der Patsche helfen kann. Der aber sagt nur: Frau, meine Stunde ist noch nicht gekommen – auch nicht gerade die freundliche Art, auf die Bitte seiner Mutter zu reagieren. Auch wenn die Grundaussage der Erzählung ein Leben in Fülle ist – und Jesus am Ende doch für neuen Wein sorgt.

Erlösendes Wort

Der Evangelist Matthäus erzählt in Kapitel 12, dass seine Mutter und seine Brüder Jesus gesucht hätten und mit ihm sprechen wollten. Aus größter Sorge. Sie haben wohl geahnt, dass das nicht gut gehen kann, wie Jesus öffentlich gegen religiöse und politische Autoritäten auftritt. Jesus aber sagt, dass seine Familienbande nicht mehr zählen. Alle seine Jüngerinnen und Jünger sind seine Mutter und seine Brüder.

Marias Leben ist durchzogen von Abweisung und Zurückweisung. Sie steht am Ende trotzdem unter dem Kreuz. Und hier, im größten Schmerz, buchstäblich in letzter Stunde, leuchtet die Dankbarkeit ihres Sohnes auf. Beim Evangelisten Johannes heißt es: „Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebt, sagt er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“

Maria ist durch alle Höhen, und noch viel mehr durch alle Tiefen des Mutterseins gegangen. Bis sie am Ende, unter dem Kreuz, dieses erlösende Wort ihres Sohnes hören durfte.