Tucholsky, der hochsensible Mann

Zum 130. Geburtstag von Kurt Tucholsky: Am 21. Dezember 1935 ging Kurt Tucholsky aus der Welt. Er starb an einer Überdosis Schlaftabletten. Ob er die Überdosis absichtlich oder versehentlich eingenommen hat, ist umstritten.

Gedanken für den Tag 11.1.2020 zum Nachhören (bis 10.1.2021):

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Sein Abschiedsbrief an seine von ihm geschiedene Frau Mary Gerold-Tucholsky ist aber wohl ein Hinweis auf Freitod. Dieser Abschiedsbrief ist für mich einer der am tiefsten bewegenden, einer der schönsten und einer der traurigsten Texte in deutscher Sprache. Ein paar Zeilen aus diesem letzten Brief; dazu muss man wissen, dass Tucholsky seine Frau als „er“ angesprochen hat:

Franz Josef Weißenböck
ist katholischer Theologe und Autor

Ein Gleichnis

„Ich weiß, was ich in Ihm beklage: unser ungelebtes Leben. Wäre die Zeit normal (und ich auch), so hätten wir jetzt ein Kind von, sagen wir, 12 Jahren haben können, und, was mehr ist, die Gemeinsamkeit der Erinnerungen... Hat nicht mehr zu rufen gewagt…Wäre er jetzt gekommen, er hätte nicht einen anderen, aber einen verwandelten, gereifteren gefunden…“

Ein paar Zeilen später schreibt Tucholsky: „Wenn Liebe das ist, was einen ganz und gar umkehrt, was jede Faser verrückt, so kann man das hier und da empfinden. Wenn aber zur echten Liebe dazukommen muss, dass sie währt, dass sie immer wieder kommt, immer und immer wieder –: dann hat nur einmal in seinem Leben geliebt: Ihn.

Es war wie Glas zwischen uns – ich war schuld… Will ihn nur noch um Verzeihung bitten.“

Tucholsky war nicht ganz 46 Jahre alt, als er in einem Krankenhaus in Göteborg starb.

Im Sommer 1936 wurde Tucholskys Asche im schwedischen Mariefred nahe Schloss Gripsholm beigesetzt. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde auf die Grabplatte dieses Zitat aus Goethes Faust II gesetzt: Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.

Musik:

English Chamber Orchestra und London Voices: „Danny Boy"
Label: EMI Classics 5573992 (2 CD)