Die gesprengte Kette

Hier kommt der große Zampanó. Trommeln muss Gelsomina, die Frau, die er eben für zehntausend Lire gekauft hat. Trommeln und sagen: Hier kommt der große Zampanó. Wenn sie es falsch macht, wird sie geschlagen, damit sie es lernt. Zampanó in Federico Fellinis Film „La Strada“ oder „Das Lied der Straße“ hat einem gewissen Männertyp den Namen gegeben. Er lässt nicht mit sich spaßen.

Gedanken für den Tag 14.1.2020 zum Nachhören (bis 13.1.2021):

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Anthony Quinn spielt ihn überzeugend, den Mann, der nicht aus sich herauskann. Mürrisch, verschlossen, jähzornig. Nur im Suff und mit einer Frau im Arm kann er ein wenig loslassen. Mit einem kleinen Wohnwagen zieht er durch die Lande und führt immer dasselbe Kunststück vor: Er legt sich eine Eisenkette um die Brust, erzählt, wie gefährlich das alles sei, holt tief Luft, und sprengt die Kette. Aber nur die äußere Fessel fällt. Seine Seele bleibt eingesperrt. Zampanó ist einsam, wie man einsamer nicht sein kann.

Christian Rathner
ist Filmemacher und Fernsehjournalist

Eine kleine Erlösung

Fellinis Ehefrau, Giulietta Masina, spielt die Gelsomina, eine kleine Frau, ein kindliches Gemüt. Was sie fühlt, ist sofort auf ihrem Gesicht zu sehen. Auf ihrem Gesicht, das rund und hell ist wie der Mond. Sie ist ein Clown, eine kindliche Seele, die Unschuld selbst. Ohne Zögern und ohne Gepäck steigt sie zu Zampanó in den Wagen, nachdem ihre Mutter sie verkauft hat. Sie genießt das Abenteuer, will bei ihm sein und bleiben. Alle außer Zampanó freuen sich über dieses freundliche Wesen.

Es sind beeindruckend karge Gegenden, durch die die beiden fahren. Einmal hält Gelsomina Zampanós Grobheit nicht mehr aus. Sie läuft davon und lernt Matto kennen, einen Seiltänzer, der sich um sie bemüht und ihr beibringt, auf der Trompete eine kleine Melodie zu spielen. Damit macht er sich Zampanó zum Feind. Bei einem Kampf der beiden fällt Matto unglücklich und stirbt. Auch Gelsomina fällt ins Bodenlose, in eine stumme Apathie. Ihre Welt ist zerstört. Zampanó lässt sie mit ihrer Trompete zurück. Jahre später trifft er eine Frau, die ihre Melodie summt. Sie hat Gelsomina gepflegt, bis zum Tod. Am Ende sitzt der große Zampanó am Strand und blickt in den Sternenhimmel. Er beginnt zu weinen, er betrauert Gelsominas Tod. Etwas kommt in Bewegung. Es ist eine kleine Erlösung.

Musik:

Katyna Ranieri: „Gelsomina“ / Chanson zum Film „La Strada“ von Nino Rota und Michele Galdieri
Label: Milan/BMG 73138356382