Bibelessay zu 1 Kor 1,10-13.17

Ein Sonntag des Wortes Gottes, ein Sonntag, der die Bibel ins Zentrum stellt, ist für mich als Bibelwerksdirektorin natürlich eine großartige Sache. Und daher lese ich in diesen Tagen auch die Bibeltexte des heutigen Sonntags in diesem Zusammenhang.

Zwei Sätze springen mich an, wenn ich diesen Text höre oder lese: Der erste ist: Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch; seid vielmehr eines Sinnes und einer Meinung. Beim ersten gefällt mir der Satz, keine Spaltungen zu dulden, eines Sinnes zu sein geht auch noch, aber einer Meinung? Ich gebe zu, ich diskutiere gern, aber nicht, um andere von meiner Meinung zu überzeugen, sondern weil ich meine Sichtweise gerne mit anderen Sichtweisen ins Gespräch bringe.

Elisabeth Birnbaum
ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks

Gemeinsames im Fordergrund

Wäre das also nicht langweilig, wenn alle immer einer Meinung wären? Aber dann, beim Weiterlesen, wird mir klar, dass es nicht um Gleichschalterei geht, sondern darum, sich bei den wichtigen zentralen Themen einig zu sein. Nicht Uniformität, sondern ein gemeinsames Band. Und vor allem: sich nicht um Nebensächlichkeiten zu streiten. Oder noch schlimmer: eine Art Personenkult einzuführen, wie es die Gemeinde von Korinth in den Augen des Paulus offenkundig tut. Statt dass sich alle ihrer Gemeinsamkeit bewusst sind, dass sie an Christus glauben, „halten“ sie zu jemandem und zerstreiten sich darüber, ob Paulus oder Apollos besser ist. Sie verlieren den Blick für den, um den es eigentlich geht – Jesus von Nazareth.

Da bekomme ich natürlich auch ein schlechtes Gewissen. Mir passiert es ja auch manchmal, dieses sich in Kleinigkeiten und Personellem Verheddern, statt das gemeinsame Ziel zu sehen, das alle verbindet. Auch in kirchlichen Kreisen geschieht das immer wieder. Und dann frage ich mich oft: Wozu eigentlich? Geht es uns nicht ohnehin um dasselbe? Und im Großen gilt das aus meiner Sicht auch im Umgang mit anderen Konfessionen oder dem Judentum.

Von der Bibel erzählen

Ich finde es deshalb sehr schön, dass der Bibelsonntag ganz bewusst in der Gebetswoche für die Einheit der Christen und in zeitlicher Nähe zum Tag des Judentums angesetzt ist. Es wäre sehr schön, wenn an diesem Tag die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund gestellt würden, statt sich im Trennenden zu verlieren. Keine Uniformität, sondern eine Gesprächsbasis, ein wohlwollendes Wertschätzen, eine Einheit in Vielfalt. Und für mich persönlich wäre die Bibel dafür eine wunderbare wertvolle Grundlage.

Lebenskunst
Sonntag, 26.1.2020, 7.05 Uhr, Ö1

Der zweite Satz, der mich anspringt, ist: „Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden.“ Das bedeutet für mich: Es geht nicht in erster Linie darum, Menschen zu Christinnen und Christen zu machen, ihnen sozusagen einen Stempel aufzudrücken: Du bist jetzt getauft, du gehörst jetzt zu uns. Es geht darum, möglichst vielen Menschen zu erzählen, dass Gott ein befreiender Gott ist, dass das Gute im Kommen ist, dass da etwas Neues entsteht, dass da einer ist, der mit Gott so eng verbunden ist, dass er „Papa“ zu ihm sagen kann. Und der sogar Tod, Schuld, Finsternis und Verzweiflung besiegen kann.

Einfach ums Erzählen geht es, von dem, was mich antreibt und begeistert, ohne gleich andere damit missionieren zu wollen. Und das animiert auch mich persönlich, von der Bibel zu erzählen, einfach, weil sie mich begeistert. Ich glaube, dass sie für alle etwas bietet: für die Getauften und die Ungetauften, für die Frommen und die wenig Frommen, für die Klugen und nicht so Klugen, für die Glücklichen und die Unglücklichen, einfach für alle, die offen und neugierig sind.