Gottesbildergalerie – Schauraum der Atheisten

Die Vorsilbe „a“ verdankt der A-Theismus der griechischen Sprache. Es bedeutet so viel wie „nicht“. Der Atheist signalisiert damit, dass er nicht an einen Gott oder ein höheres Wesen glaubt.

Atheisten definieren sich also sprachlich mit einer Verneinung. Die „Wirklichkeit“, in der sie sich mit ihrem Leben eingerichtet haben, ist gottfrei. Die Leugnung eines Gottes, den es für sie nicht gibt, geht oft einher mit der Annahme, dass mit dem Tod definitiv alles aus ist. Das heißt: Eine andere Wirklichkeit als jene irdische, in der ein Atheist sich vorfindet, gibt es nicht. Sie ist ohne ein „trans“, ohne ein Darüber-hinaus. Transzendenzlos also.

Paul M. Zulehner
ist Theologe und Religionssoziologe

Von Atheisten lernen

Meine Studie über die Religion im Leben der Österreicherinnen 2020 zeigt allerdings, dass es „den“ Atheismus als solchen gar nicht gibt. Vielmehr zeigen sich unterschiedliche Gewissheitsgrade: Die Skala reicht von einem pragmatischen „Atheismus light“ bis zum voll überzeugten kämpferischen Atheisten. Atheisten leugnen Gott nicht mit gleicher „Glaubensenergie“. Gottesverneiner wie Gottesanhänger sind somit beide irgendwie „gläubige Menschen“. Die einen glauben Gott aus ihrem Leben hinaus, die anderen in dieses herein.

Lebenskunst
Sonntag, 7.6.2020, 7.05 Uhr, Ö1

Der französische Atheist Henri Lefebvre beobachtet, dass auch der gottbefreite Mensch maßlose Sehnsucht kennt, die letztlich nicht in Raum und Zeit passt. Und doch könne er damit gut leben. Denn es gebe, eingestreut in das endliche, rein diesseitige Leben, „moments“ (Momente), Lebensfeste, in denen ein Mensch Raum und Zeit vergisst. Dazu zählt Lefebvre gute Arbeit, Spiel, das Erkennen, die Feste der Liebe. Es ist der Augenblick, von dem Goethe Faust schwärmen lässt: „Verweile doch, du bist so schön!“ Aber diese Momente „scheitern“. Der Mensch muss wieder in den Alltag zurück. In diesem sehnt er sich nach weiteren Festen in seinem Leben. Und diese Aussicht lässt ihn leben und verleiht Sinn.

Von Atheisten kann man gut lernen, die eingestreuten Feste des Lebens und der Liebe zu genießen.