Mit dem Teufel verhandeln

Beim Hören so mancher angriffigen Politikerrede frage ich mich manchmal: Wie will der- oder diejenige mit dem gerade in Grund und Boden kritisierten Gegner in der nächsten Kommission im Parlament konstruktiv kooperieren? Wie will ein Regierender, der eine Wahl verliert, einem Nachfolger die Amtsgeschäfte übergeben, den er zuvor geradezu verteufelt hat?

Gedanken für den Tag 10.9.2020 zum Nachhören (bis 9.9.2021):

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Mit dem Teufel kann man doch nicht verhandeln. Demokratie, gerade auch demokratisches Regieren lebt aber vom Verhandeln, von guten, fairen, tragfähigen und weitreichenden Kompromissen. Nur sie stellen auf längere Sicht sicher, dass die Gesellschaft insgesamt weiterkommt und nicht nur einzelne Interessensgruppen sich auf Kosten anderer durchsetzen.

Veronika Prüller-Jagenteufel
ist theologische Referentin in der Caritas St. Pölten und Seelsorgerin für Demenzkranke

Ein gegenseitiges Versprechen

Vor einiger Zeit bin ich einem Bekannten begegnet, der in der Lokalpolitik stark engagiert ist. In seiner Gemeinde gab es eine Zeit lang heftige Konflikte, die das Dorf tief gespalten hatten. Als ich ihn traf, war weitgehend wieder Frieden eingekehrt und bis auf ein paar wenige arbeiteten auch die ehemaligen Gegner wieder gut zusammen. Auf meine Frage, wie das kam, sagte er: „Ich bin auf die anderen zugegangen und habe gelernt zu verzeihen. Ich weiß jetzt, dass Vergebung eine zentrale politische Kategorie ist.“ Dem anderen entgegenzukommen, bleibt ein Risiko. Den ersten Schritt zu tun, bedeutet immer, sich auszusetzen. In der Politik scheint mir solches Verhalten, eine solche Haltung rar zu sein.

Compromissus ist auf lateinisch ein gegenseitiges Versprechen. Grundlegend für jedes Zusammenleben, auch das politische, ist das Versprechen: „Ich werde und will dich nicht vernichten.“ Ohne diese Zusage und darauf aufbauende Übereinkünfte gibt es keine Demokratie und keinen Frieden.

Musik:

Heinz Holliger/Oboe und Alfred Brendel/Klavier: „Stück im Volkston für Klavier und Oboe op. 102 Nr. 3 - Nicht schnell, mit viel Ton zu spielen“ von Robert Schumann
Label: Philips 4168982