Beschneidung: Interreligiöse Allianz fordert Klarheit

Die Regierung soll die „juristische Legitimität der religiösen Beschneidung in Österreich sicherstellen“, fordern mehrere Religionsgesellschaften und Kirchen im Zuge einer historischen Pressekonferenz.

Die Diskussion habe zu einer „Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung“ geführt, hieß es seitens der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) und der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) bei einer Pressekonferenz am Freitag in Wien. Neben dem Präsidenten der Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, und IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac nahmen auch der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, sowie der lutherische Bischof Michael Bünker an der Pressekonferenz teil.

IKG und IGGiÖ sehen „Bedrohung der Religionsfreiheit“

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme unterstrichen die Kultusgemeinde sowie die Islamische Glaubensgemeinschaft, dass sie die laufende Beschneidungsdebatte als „Kampagne“ und zugleich als „Bedrohung der Religionsfreiheit“ erachten. Entschieden wende man sich „gegen das von antireligiösen radikalen Einzelpersonen und Gruppen sowie populistischen politischen Kreisen vorgetragene Bemühen, durch staatlichen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Gut der Religionsfreiheit den Eltern das Recht zu nehmen, Kinder entsprechend ihren eigenen Wertmaßstäben zu erziehen“, so IKG und IGGiÖ.

Michael Bünker, Peter Schipka, Oskar Deutsch, Fuat Sanac

APA/Andreas Pessenlehner

Der evangelische Bischof Bischof Michael Bünker (l.), Bischofskonferenz-Gen.-Sekr. Peter Schipka.(2.v.l.), IKG-Präs. Oskar Deutsch.(3.v.l.) und IGGIÖ-Präs. Fuat Sanac

Die Beschneidung sei für beide Religionen „von grundlegender religiöser Bedeutung“ und gerade für Juden ein „Identitätsmal“. Wer gegen sie vorgehe, verfolge offenbar noch andere Ziele, mutmaßten Sanac und Deutsch, „nämlich die Forderung, dass religiöse Erziehung von Kindern überhaupt zu verschwinden hat, weil sie die spätere religiöse Selbstbestimmung präjudiziere“.

Schipka: Religionsfeindliche Tendenzen

Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka unterstrich bei der Pressekonferenz den hohen Wert des Menschenrechts auf Religionsfreiheit. An diesem dürfe ebenso wenig gerüttelt werden wie an der geltenden Rechtslage in Österreich. Diese sieht vor, dass eine ordnungsgemäß durchgeführte Beschneidung bei Buben bei Vorliegen einer elterlichen Einwilligung straffrei ist. Schipka: „Das soll aus Sicht der katholischen Kirche auch so bleiben.“ Eine Änderung der Rechtslage würde Juden und Muslime „in die Illegalität abdrängen“. Das wäre ein „Angriff auf die Religionsfreiheit“, der „auch Christen nicht unberührt lassen“ könne.

„Sehr besorgniserregend“ sind für Schipka vor allem jene Stimmen, die im Ausgang der Debatte „religiöse Erziehung insgesamt in Frage stellen“. Gerade die Wortmeldungen einzelner Akteure, die in diesem Kontext etwa auch die Spendung von Sakramenten an Kinder kritisierten, „zeigen im Kern eine religionsfeindliche Haltung“, betonte Schipka. Klar sei, dass das Recht auf Religionsfreiheit „auch das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung ihrer Kinder“ beinhalte.

Oberhummer: „Unheiliger kann Allianz kaum sein“

Mit heftiger Kritik reagiert die „Initiative Religion ist Privatsache“ auf das „Pressegespräch“ am Freitag. „Jene Religionsgemeinschaften, die gemeinsam unter ÖVP-Regie für eine der brutalsten und religiös intolerantesten Diktaturen der Welt derzeit Imagepflege betreiben, versuchen die religiös motivierte Beschneidung, ein Akt der physischen sowie psychischen Körperverletzung, ausgerechnet mit dem Argument der Religionsfreiheit zu rechtfertigen“, meint Initiative-Vorstand Heinz Oberhummer in Anspielung auf das geplante „König-Abdullah-Zentrum“ in Wien, das vom Königshaus Saudi-Arabiens finanziert wird. „Unheiliger kann solch eine Allianz kaum sein“.

„Wenn es darum geht, gegen den säkularen Staat aufzubegehren und finanzielle sowie juristische Privilegien zu verteidigen, geraten jahrhundertealte theologische Differenzen in Vergessenheit“, so Initiative-Vorstand Heinz Oberhummer in einer Presseaussendung. „Die religiöse Bevormundung des Individuums hat für die Religionsgemeinschaften offensichtlich Vorrang“. Aus seiner Sicht würde die gegenwärtige Diskussion zunehmend in „unsachliche Kanäle“ geleitet. „Medizinische Scheinargumente, Antisemitismusvorwürfe und eben der Verweis auf alte Traditionen, die als ‚Religionsfreiheit‘ verpackt werden, sind nicht dazu geeignet, seriöse Argumente, die den Grundrechten entspringen, zu entkräften“.

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(KAP)