„Pussy Riot“-Prozess: Diakon kritisiert Vorgehensweise der Anklage

Es sei nicht klar, wer der eigentlich Geschädigte sei und wer geklagt habe, sagte Andrej Kurajew.

Die Staatsanwaltschaft wirft „Pussy Riot“ vor, an den jahrhundertealten Grundfesten der russisch-orthodoxen Kirche gerüttelt zu haben. Sie sieht in den früheren Philosophie- und Journalistikstudentinnen eine Gefahr für die Gesellschaft. Andrej Kurajew - Theologe und Diakon der russisch-orthodoxen Kirche - sagte hingegen in einem Interview mit der deutschen Nachrichtenagentur DPA, dass man sich von Seiten der Kirche nicht an das Gericht gewandt habe. Der Tatbestand der Gotteslästerung sei zwar gegeben, aber der Vorsteher der Erlöserkathedrale habe nach der Aktion bekannt gegeben, dass die Kirche nicht entweiht worden und daher auch keine neue Weihe nötig sei, so Kurajew.

Heute beginnt der Prozess, den drei Künstlerinnen, von denen zwei Kinder haben, drohen sieben Jahre Haft. Seit fast fünf Monaten sitzen sie in Untersuchungshaft. Menschenrechtler sprechen von einem politischen „Schauprozess“ und einem beispiellosen Justizskandal.

Pussy Riot hinter Gittern

EPA/SergejChirikov

Nadeschda Tolokonnikova (22), Jekaterina Samuzewitsch (24), Maria Aliokhina (29) (v.l.n.r)

Die jungen Frauen sind angeklagt, mit einem Punk-Gebet am 21. Februar in der Erlöserkathedrale in Moskau die Gefühle von Gläubigen grob verletzt zu haben. Die Kirche gilt als das Herz des russisch-orthodoxen Christentums. Bilder zeigen, wie die Frauen in dem eigentlich nur für Würdenträger zugänglichen Altarraum mit Strumpfmasken vermummt herumspringen und sich bekreuzigen. Für Aufsehen sorgte aber vor allem ein Internet-Video der Aktion, das mit dem Lied „Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin!“ vertont ist.

Politische Kräfte

Sowohl ein Verteidiger der Band, Nikolai Polosow, als auch der 49-jährige Diakon Andrej Kurajew äußerten gegenüber der DPA die Vermutung, dass politische Absichten hinter der Vorgehensweise bei diesem Verfahren stünden. Sieben Bände mit rund 3000 Seiten umfassen die Ermittlungsakten - wegen rund einer Minute Protest gegen Putin und die Kirche. Russlands Präsident Wladimir Putin und der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche Kyrill I. werden übrigens nicht als Zeugen geladen - mehr dazu in Putin und Kyrill I. keine Zeugen im „Pussy-Riot“-Prozess.

In der Anklage geht es um den Vorwurf des „Hooliganismus aus Gründen religiösen Hasses“. Die Anwälte sehen hingegen höchstens eine Ordnungswidrigkeit. „Die Mädchen hatten keine Waffen und haben nichts zerstört, so wie es für eine Anklage wegen Rowdytums eigentlich nötig wäre“, kritisiert Verteidiger Polosow. Auch Kurajew sieht in der Aktion selbst keinen Schaden für die Kirche. Der entstehe erst durch die lange Haft für „Pussy Riot“.

(DPA/APA)

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Pussy-Riot-Urteil: Wie demokratisch ist Russland?