Die Himmelfahrt einer Jungfrau

Mariä Himmelfahrt ist eines der wenigen weiblich besetzten katholischen Hochfeste. Zumindest als offizielles Fest ist es noch jung: Während schon in der Antike am 15. August eine Jungfrau gefeiert wurde, erhielt das Himmelfahrtsfest erst im 20. Jahrhundert den „Segen“ des Papstes.

Mariä Himmelfahrt („Mariä Aufnahme in den Himmel“) ist als eines der drei Maria gewidmeten Hochfeste des liturgischen Kalenders auch ein Fest vor allem für die Frauen. Der Volksmund nennt es auch „Großer Frauentag“, und es setzt den Auftakt zum vor allem im süddeutschen und westösterreichischen Raum begangenen „Frauendreißiger“ (auch: „Marientage“), der Zeit zwischen den Festen Mariä Himmelfahrt am 15. August und Mariä Namen am 12. September.

Der Beginn des „Frauendreißigers“

In dieser Zeit sind Pflanzen- und Kräutersegnungen besonders beliebt. Viele österreichische Pfarren laden zu speziellen Andachten ein. Die Jahreszeit, in der der „Frauendreißiger“ stattfindet, eignet sich besonders gut für das Sammeln von Heilpflanzen und Kräutern. Während dieser Zeit gesammelten und geweihten Pflanzen wohnt im Volksglauben auch eine besonders starke Heilkraft inne. Hier könnten vorchristliche, „heidnische“ Bräuche Pate gestanden haben. Da die Heilkunst mit Hilfe von Kräutern stets eine den Frauen zugewiesene Domäne war, ist auch hier ein vorchristlicher Kult als Ursprung nicht unwahrscheinlich.

Legenden und Berichte aus den apokryphen Evangelien (Apokryphen sind Schriften, die im Entstehungsprozess des Neuen Testaments nicht als Bestandteil der Bibel festgelegt wurden), wonach Marias Grab statt mit ihrem toten Körper mit Blüten gefüllt gewesen sein soll, fügen sich perfekt in diesen Rahmen. Zum Hochfest werden im deutschsprachigen Raum traditionell Prozessionen abgehalten, bei denen Marienstandbilder, oft von Frauen, über Felder und Wiesen getragen werden. Auch Seeprozessionen sind sehr beliebt, zum Beispiel auf dem Wörthersee und dem Bodensee.

Junge Frauen tragen bei einer Prozession einen Marienstandbild

AP/Diether Endlicher

Prozession zu Mariä Himmelfahrt in Oberbayern

„Entschlafung“ und „Heimgang“

Die orthodoxen Kirchen begehen das Fest am 28. August, am 15. wird die „Entschlafung“ Marias gefeiert. In der altkatholischen Kirche wird der Feiertag „Heimgang Mariens“ genannt.

Das christliche Hochfest Mariä Himmelfahrt hat seinen Ursprung in der Ostkirche, wo es bereits im Jahr 431 eingeführt wurde. In der lateinischen Kirche wird die Aufnahme Marias in den Himmel seit dem 7. Jahrhundert gefeiert. Heilige wie Thomas von Aquin, Gregor von Tours und Albert der Große beschäftigten sich intensiv mit der Himmelfahrt der Madonna. Erst am 1. November 1950 erhob Papst Pius XII. im Lehrschreiben „Munificentissimus Deus“ die leibliche Aufnahme Marias im Himmel zum Dogma.

Wurzeln in der griechischen Mythologie

Doch die Wurzeln des Fests reichen noch tiefer in vorchristliche Zeit hinein. Das Fest der Astrea oder Astraia wurde in der Antike ebenfalls am 15. August gefeiert. Astrea verkörpert in der griechisch-römischen Mythologie die reine Jungfrau, die nach dem Anbrechen des dritten, eisernen (und schlechtesten) Zeitalters die Welt verlässt und sich im Sternbild der Jungfrau am Himmel verewigt.

Tizian-Gemälde "Maria Himmelfahrt"

Public Domain

Tizians „Mariä Himmelfahrt“, Hochaltar für Sta. Maria Gloriosa dei Frari in Venedig

Die Rückkehr Astreas sollte einst den Wiederanbruch des goldenen Zeitalters einleiten, in ihrer Person konzentriert sich also, ebenso wie in der Marias, die Hoffnung auf eine bessere Welt - und die Erlösung. Ebenso wie Astrea wurde auch Maria physisch in den Himmel „entrückt“. Die in der Bibel nicht beschriebene leibliche Aufnahme („Assumptio“) markiert die erste Göttlichwerdung eines Menschen und kann auch als Ausdruck der Hoffnung, das Leben werde auch im Himmel in seiner vertrauten Form weitergehen, gesehen werden.

Besondere Ehre für „Gottesgebärerin“

Die besondere Ehre, in ihrer leiblichen Erscheinung in den Himmel aufgenommen zu werden, so der Glaube vieler Katholiken, verdankt Maria neben ihrem Status als „Gottesgebärerin“ auch ihrer eigenen „unbefleckten Empfängnis“, die gemeinsam mit jener ihres Sohnes Jesus 1854 von Papst Pius IX. zum Dogma erhoben wurde. Alle anderen Christen müssen auf die Vereinigung von Leib und Seele bis zum „jüngsten Tag“ warten, so die Lehrmeinung der katholischen Kirche.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at