„Bartkrieg“ der Amisch nun vor Gericht

Der Prozess gegen 16 Mitglieder eines Amisch-Clans, die anderen Mitgliedern Bart und die Haare abgeschnitten haben sollen, beginnt in Ohio.

Den Beschuldigten droht im schlimmsten Fall eine lebenslange Haftstrafe. Den Angeklagten wird vorgeworfen, Beweismaterial – wie zum Beispiel Scheren, eine Einwegkamera oder einen Sack voll Haare – unterschlagen und zerstört zu haben.

Sam Mullet Sr. ist Leiter einer Amish Gruppe in Bergholz, Ohio.

Amy Sancetta / AP

Bischof Samuel Mullet Sr. ist Anführer des Amische Clans in Bergholz, Ohio. Im Bundesstaat Ohio leben rund 71.800 Amische.

Der Anführer und Bischof des Clans, Samuel Mullet Sr., wird des Weiteren beschuldigt, bei der Polizei gelogen zu haben. Konkret handelt es sich um fünf Vorfälle zwischen September und November 2011, bei denen männlichen Mitgliedern einer rivalisierenden Gemeindegruppe der Bart abrasiert und Frauen die Haare abgeschnitten wurden.

16 Amische Männer und Frauen vor dem Gerichtssaal in Cleveland, Ohio.

Tony Dejak /AP/ dapd

Samuel Mullet Sr. und 15 weitere Frauen und Männer sollen wegen den Haarschneide-Attacken in Cleveland vor Gericht gehen. Dem Anführer der Gruppe werden außerdem sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

Bart und Haare als religiöses Symbol

Bei den Amisch - eine täuferisch-protestantische Glaubensgemeinschaft, die sich im Jahr 1693 von den Mennoniten abspaltete – ist der Bart das Schlüsselsymbol der männlichen Amischen-Identität, so der Soziologe Donald B. Kraybill vom Elizabethtown College in Pennsylvania. Erwachsene, verheiratete Männer dürfen ihren Bart, mit Ausnahme des Oberlippenbarts, nicht rasieren, und Frauen nach der Hochzeit ihre Haare nicht mehr schneiden.

Amische verzichten auf moderne Technik und fahren mit der Pferdekutsche.

David Duprey /AP/ dapd

  • Der Name „Amische“ bzw. „Amish“ entwickelte sich aus dem Namen von Jakob Ammann, Gemeindeleiter einer Mennonitengemeinde in der Schweiz.
  • 1693 spalteten sich die Amischen von der Gruppe der Mennoniten ab. Der Großteil der Amischen wanderte im 18. Jahrhundert nach Pennsylvania in Nordamerika aus, weil sie dort nicht verfolgt wurden.
  • Derzeit leben Amische in 28 Staaten der USA sowie im kanadischen Ontario in 427 Siedlungen und 1826 Gemeindedistrikten.
  • Untereinander sprechen sie in der Mehrzahl einen deutschen Dialekt, das sogenannte Pennsylvaniadeutsch.

Aus diesem Grund betrachten es die Betroffenen, darunter Myron Miller und seine Frau Arlene, die den Fall ins Rollen brachten, als schweres Verbrechen, dass sie aus dem Schlaf gerissen und überfallen wurden und klagten die 12 Männer und vier Frauen an.

Strafe für mangelnde Folgsamkeit

Diese Überfälle auf fünf Mitglieder sollten eine Strafe für mangelnde Folgsamkeit sein. Die Opfer hatten sich gegen die Exkommunikation, die ihnen bei Widerstand gegen Mullet drohte, gewehrt oder aber hatten anderen Glaubensmitgliedern geholfen, Mullet zu entkommen.

Alle 16 Mitglieder stammen aus der von Samuel Mullet geführten Gemeinde Bergholz im Osten Ohios. Laut Angaben des FBI soll dieser die Gruppe wie ein Sektenführer im Griff haben. Er soll auch mit verheirateten Frauen Sex gehabt haben, um sie „vom Teufel zu reinigen“, zitierte die „New York Times“ aus einer eidesstattlichen Zeugenerklärung. Unfolgsame sollen geschlagen oder gezwungen worden sein, in einem Hühnerkäfig zu schlafen.

„Wir wollen die Täter hinter Gittern sehen“

Die Amisch meiden für gewöhnlich die Öffentlichkeit und bevorzugen es, Streitigkeiten unter sich zu regeln. „Wir wollen diese Täter hinter Gittern sehen“, riefen sie diesmal jedoch um Hilfe. Alle 16 Angeklagten plädieren auf „nicht schuldig“ und befinden sich gegen Kaution auf freiem Fuß.

Lena Gschiel, religion.ORF.at / DPA