Ein Grab mit Blick nach Mekka

In Wien und Vorarlberg bietet je ein islamischer Friedhof Muslimen die Möglichkeit zu einem Begräbnis in Österreich. Bis jetzt lassen sich die meisten Muslime nach ihrem Tod zwar noch in ihre ehemalige Heimat überführen, das könnte sich aber ändern.

Deutschland braucht mehr Raum für muslimische Gräber, titelte am Mittwoch die deutsche Pressagentur (dpa). Zuvor hatte am Montag der Berliner Bezirk Neukölln davor gewarnt, dass auf dem dortigen Bestattungsort bald die letzten 50 freien muslimischen Gräber vergeben wären.

Das ist eine Sorge, die man zumindest in Wien nicht kennt. „Für die nächste Zeit reicht der Platz hier in Wien aus“, sagt Ali Ibrahim im Gespräch mit religion.ORF.at. Er verwaltet Österreichs ersten islamischen Friedhof. Seit Oktober 2008 können sich Muslime aus ganz Österreich auf dem knapp dreieinhalb Hektar großen Areal in Wien-Liesing beerdigen lassen.

Von Simmering nach Liesing

Zuvor fanden islamische Begräbnisse in Wien auf dem Zentralfriedhof statt. Seit seiner Eröffnung Ende des 19. Jahrhunderts wurden Muslime dort bestattet – ab Mitte der 70er Jahre in einer eigenen islamischen Abteilung. Als der Platz in Wien-Simmering immer enger wurde, begann man 2001 mit dem Bau eines eigenen islamischen Friedhofs. Sieben Jahre dauerten die Arbeiten an dem Projekt. Archäologische Funde und mehrere antiislamische Anschläge ließen die Arbeiten immer wieder stocken, bis das Areal im Herbst 2008 offiziell eröffnet wurde.

Computer Simulation des islamischen Friedhofs WIen

APA / MA 53 / PID

So könnte der erste österreichische islamische Friedhof in Liesing aussehen, nachdem alle 4.600 Gräber vergeben wurden.

Etwa 200 Muslime hat Ali Ibrahim in den letzten vier Jahren beerdigt, knapp 60 waren es 2011. Verglichen mit der halben Million Muslime, die zur Zeit in Österreich lebt, wirkt diese Zahl verschwindend gering. Die meisten Muslime bevorzugen zurzeit noch ein Begräbnis in ihrer ehemaligen Heimat.

Feste Rituale nach dem Tod

Dabei spräche einiges für eine Beerdigung in Wien. So sollte ein Toter nach islamischer Tradition möglichst innerhalb von 24 Stunden nach seinem Tod bestattet werden, was durch eine Überführung ins Ausland oftmals verunmöglicht wird. Ebenso bietet der Wiener Friedhof eine Infrastruktur, die einer traditionellen Beerdigung so weit wie möglich entgegen kommt. Es gibt eigene Räume für das Totengebet und die rituelle Waschung, die die Angehörigen dem Toten nach Möglichkeit selbst zukommen lassen sollten.

Gebetshalle am islamischen Friedhof Wien

APA / Helmut Fohringer

Die Gebetshalle des Wiener islamischen Friedhofs – ein lichtdurchfluteter Raum

Nach der Waschung wird der Leichnam in weiße Leinentücher gewickelt und auf der rechten Schulter liegend bestattet, so dass sein Gesicht nach Mekka schaut. Denn muslimische Gräber sind, wie man am Friedhof in Liesing sehen kann, alle im rechten Winkel nach der heiligen Stadt ausgerichtet. In einem Punkt kann allerdings auch Ali Ibrahim der islamischen Tradition nicht nachkommen. In Österreich sind Bestattungen ohne Sarg verboten, weshalb auch am islamischen Friedhof die Toten in einfachen Holzsärgen beerdigt werden müssen.

Junge wollen in Österreich beerdigt werden

Trotz der bisher eher bescheidenen Zahlen ist der Leiter des Friedhofs davon überzeugt, dass immer mehr österreichische Muslime auch hier begraben werden wollen. „Das Interesse ist in der letzten Zeit sehr gestiegen. Gerade junge Menschen, die sich hier zu Hause fühlen, möchten später in Österreich begraben werden“, sagt Ibrahim.

Dass eine solche Tendenz offensichtlich nicht nur in Wien zu spüren ist, zeigt ein Blick nach Vorarlberg. Dort wurde nach jahrelanger Vorarbeit durch eine muslimische Interessengemeinschaft im Juni dieses Jahres Österreichs zweiter islamischer Friedhof eröffnet. 700 Gräber haben auf dem Gelände in Altach Platz, belegt sind bis jetzt zwei.

Islamischer Friedhof in Altach

APA / Dietmar Stiplovsek

Gerade Linien prägen Österreichs zweiten islamischen Friedhof in Altach

Das mag wenig erscheinen, vor allem, wenn man die Zahl mit den 45 Auslandsüberführungen vergleicht, die die SILA Bestattungs GmbH, die für die Betreuung des Friedhofs zuständig ist, im letzten Jahr durchführte. Aber auch in Vorarlberg ist man zuversichtlich, dass sich dieses Verhältnis mit der Zeit ändern wird. „Vor allem die jüngeren Generationen, die hier geboren wurden, möchten auch hier bestattet werden“, gibt sich Ali Can von der SILA Bestattung ähnlich überzeugt wie sein Wiener Kollege.

Von Platzproblemen kann in Österreich zurzeit also noch nicht die Rede sein. Sollten Ali Ibrahim und Ali Can aber mit ihren Prognosen Recht behalten, dann wären vielleicht nicht nur die insgesamt 5.000 Gräber in Wien und Vorarlberg schneller vergeben als erwartet. Auch in den restlichen Bundesländern müsste man anfangen, sich die Frage nach der Notwendigkeit islamischer Friedhöfe zu stellen. Zumindest in Oberösterreich und der Steiermark wurden in den letzten Jahren bereits Rufe nach eigenen Arealen laut.

Martin Steinmüller, religion.ORF.at

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