Italien: Sorge um Kardinal Martini

Der Gesundheitszustand des 85-Jährigen, der an Parkinson leidet, soll sich verschlechtert haben.

In Italien wächst die Sorge um den italienischen Kardinal Carlo Maria Martini. Der Zustand des 85-Jährigen, der seit Jahren wie der 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. an Parkinson leidet, habe sich verschlechtert, berichtete der Mailänder Erzbischof Angelo Scola am Donnerstagabend auf der Website der Erzdiözese. Er appellierte an die Gläubigen, für den Kardinal zu beten.

Martini, Mailänder Erzbischof zwischen 1979 und 2002, hatte mehrere Jahre in Jerusalem gelebt. 2008 war er nach Italien zurückgekehrt, weil sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hatte. Seitdem lebt er in einem Jesuitenheim in Gallarate nahe Mailand.

Papst Benedikt XVI. und Kardinal Carlo Maria Martini

APA/ANSA/Osservatore Romano

Papst Benedikt XVI. und Kardinal Carlo Maria Martini bei einer Privatausdienz am 27. Mai 2005 im Vatikan

Martini gilt als herausragende Persönlichkeit der Kirche in Italien. Als Erzbischof von Mailand leitete er 22 Jahre die größte Diözese Europas. Wie kaum ein anderer forcierte der Theologe den Dialog zwischen Kirche und säkularer Gesellschaft. Über viele Jahre galt der Kardinal als „papabile“, als papstwürdig. Trotz seines Alters und Parkinson-Erkrankung erhielt er beim Konklave 2005 offenbar Stimmen - bevor er abwinkte. Immer wieder schaltete sich Martini in die öffentliche Debatte zu Themen wie Euthanasie und Sterbehilfe ein.

Mit 17 Jahren Jesuit

Martini wurde 15. Februar 1927 in Turin geboren, mit 17 Jahren trat er dem Jesuitenorden bei, wurde 1952 zum Priester geweiht und promovierte 1958 in Rom über „Das historische Problem der Auferstehung“.

Bestseller zu biblischen Themen

Schon in den 60er Jahren machte der Theologe Martini international von sich reden. Nach kurzer Dozentenzeit in Norditalien ging er ans Päpstliche Bibel-Institut in Rom und erreichte dort bald den wissenschaftlichen Durchbruch. Ab 1969 war er Dekan der Fakultät für Bibelwissenschaften, 1978 wurde er Rektor der Gregoriana-Universität. In dieser Zeit verfasste er zahlreiche Bücher zu biblischen Themen, etliche von ihnen sind bis heute Bestseller.

Mit 52 Jahren wurde Martini Ende 1979 Erzbischof von Mailand, Papst Johannes Paul II. persönlich weihte ihn am 6. Januar 1980 im Petersdom zum Bischof. Drei Jahre später erhielt er das Kardinalsbirett. In Mailand kümmerte er sich um die großen kirchenpolitischen Fragen ebenso wie um die Jugendarbeit und die Ausländerpastoral.

Hoffnungsträger und Dialogpartner

Seine Stellungnahmen zu vielen aktuellen Fragen, zur Ökumene und zur Säkularisierung, zu Korruptionsskandalen wie zur Bedeutung der Medien machten den Mailänder Kardinal in den 80er und 90er Jahren zu einem kirchlichen Vordenker in Italien, viele sahen in ihm einen Hoffnungsträger. Internationale Beachtung fanden seine Stellungnahmen zum Islam, in denen er als erster eine „gerechte Wechselseitigkeit“ zwischen Christen und Muslimen einforderte: Was den Muslimen in christlich geprägten Staaten zustehe, müsse auch den Christen in muslimisch geprägten Staaten zugestanden werden.

In erster Linie aber wollte Martini in Mailand immer Seelsorger sein. Besondere Beachtung fanden seine Hirtenbriefe und seine Methode der „lectio divina“, die jungen und älteren Menschen auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens im Mailänder Dom einen neuen Zugang zur Heiligen Schrift erschloss.

Bekannt durch Briefwechsel mit Umberto Eco

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Martini außerdem durch die Publikation eines Briefwechsels mit Umberto Eco bekannt. Ihre geistreiche Diskussion über die Frage „Woran glaubt, wer nicht glaubt?“ trugen der Kirchenmann und der Schriftsteller ab 1995 öffentlich in der italienischen Zeitschrift „liberal“ aus. 1998 erschien der Austausch als eigene Publikation. An der Schwelle zum neuen Jahrtausend erörterten Martini und Eco auch ethische Zeitfragen wie die Rolle der Frau in der Kirche, die Abtreibung und die Genmanipulation.

„Gegenpart“ zu Johannes Paul II.?

Mitunter wurde Martini sogar als heimlicher Gegenpart zu Papst Johannes Paul II. bezeichnet, denn im Stil unterschieden sich seine Ausführungen mitunter sehr von denen der römischen Kurie. Martini bewahrte stets sein eigenes Profil. Als Präsident des „Rates der Europäischen Bischofskonferenzen“ (CCEE) zwischen 1986 und 1993 war es Martini darum zu tun, angesichts des ab 1989 verschwundenen Eisernen Vorhangs die europäische Gemeinsamkeit wieder ins Bewusstsein zu rufen.

Seinen Abschied aus dem bischöflichen Leitungsamt in Mailand, den er ungewöhnlich zeitnahe zum 75. Geburtstag nahm, vollzog der Bibelwissenschaftler an der Spitze einer Diözesanwallfahrt nach Israel. Von dort aus, aber auch aus Italien meldete er sich anschließend immer wieder zu Wort.

religion.ORF.at/KAP/APA