Kardinal Martini im Alter von 85 Jahren gestorben

Der italienische Kardinal Carlo Maria Martini, einer der einflussreichsten Kirchenmänner Italiens, ist am Freitag im Alter von 85 Jahren gestorben.

Martini, der seit Jahren an Parkinson litt, starb in einem Jesuitenheim in Gallarate nahe Mailand, in dem er seit 2008 lebte, teilte sein Nachfolger Erzbischof Kardinal Angelo Scola mit. In den vergangenen Tagen hatte sich Martinis Zustand verschlechtert. (religion.ORF.at berichtete unter „Sorge um Kardinal Martini“) Auch der Vatikan teilte mit, dass sich der Papst über Martinis Zustand immer wieder informiert habe.

Kardinal Martini

REUTERS / Max Rossi

Kardinal Carlo Maria Martini gilt als herausragende Persönlichkeit der Kirche in Italien. Als Erzbischof von Mailand leitete er 22 Jahre die größte Diözese Europas

Mailänder Erzbischof zwischen 1979 und 2002

Martini war Mailänder Erzbischof zwischen 1979 und 2002. Dabei bezog der Jesuit bei nahezu allen heißen Fragen Gegenposition zu den „Konservativen“ in der katholischen Kirche, vom Thema der Dezentralisierung der Kirche über Sexualität bis zur Frage der Stärkung der Laien und der Frauen innerhalb der Hierarchie.

Dialog zwischen Kirche und säkularer Gesellschaft

Wie kaum ein anderer forcierte der Theologe den Dialog zwischen Kirche und säkularer Gesellschaft, schaltete sich immer wieder in die öffentliche Debatte zu Themen wie Euthanasie und Sterbehilfe ein.

Über viele Jahre galt der Kardinal auch als „papabile“ und war bei der Wahl des Nachfolgers von Papst Johannes Paul II., aus der Joseph Ratzinger schließlich erfolgreich hervorging, der Hoffnungsträger des „liberalen“ Lagers im Kardinalskollegium. Trotz seines Alters und einer Parkinson-Erkrankung erhielt er beim Konklave 2005 Stimmen - bevor er abwinkte.

Jesuit, Erzbischof und Vermittler

Martini wurde im Februar 1927 in Turin geboren. Mit 17 Jahren trat er den Jesuiten bei. Er studierte Philosophie an der Jesuitenuniversität in Gallarate bei Mailand und Theologie an der theologischen Fakultät in Chieri, wo er 1952 im Alter von 25 Jahren zum Priester geweiht wurde. Später promovierte er an der päpstlichen Gregoriana-Universität, deren Rektor er 1978 wurde. Ein Jahr später schickte ihn Papst Johannes Paul II. wegen seiner Vermittlerqualitäten als Erzbischof nach Mailand.

Jugendarbeit oder die Ausländerpastoral

Johannes Paul II. persönlich weihte Martini am 6. Jänner 1980 im Petersdom zum Bischof. Drei Jahre später erhielt der Jesuit das Kardinalsbirett. In Mailand kümmerte er sich um die großen kirchenpolitischen Fragen ebenso wie um die Jugendarbeit oder die Ausländerpastoral. Seine Bischofstexte erreichen Auflagen wie Bestseller. Bis 1993 war er Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen.

Jahre in Jerusalem

Der Bibelwissenschaftler und international bekannte Buchautor verbrachte nach seiner Emeritierung längere Zeit in Jerusalem zum Studium der Heiligen Schrift. Auch von dort schaltet sich Martini immer wieder in die öffentliche Debatte ein. Dabei lösten seine differenzierten Stellungnahmen zu Euthanasie und Sterbehilfe, zu Apparatemedizin und Patientenverfügung immer wieder lebhafte Diskussionen in der italienischen Öffentlichkeit aus. Internationale Beachtung fanden seine Stellungnahmen zum Islam, in denen er als erster eine „gerechte Wechselseitigkeit“ zwischen Christen und Muslimen einforderte. Nachdem er an Parkinson erkrankt war, kehrte Martini von Jerusalem nach Italien zurück.
(APA /KAP /DPA)