Polen: Kreuz im Parlament erregt Unmut

Polnische Abgeordnete fordern die Abnahme des Kreuzes, das im Plenarsaal des Parlaments hängt.

Sieben Abgeordnete der linksliberalen Oppositionspartei Bewegung Palikot (RP) haben die Parlamentskanzlei wegen Verletzung ihrer persönlichen Rechte wie Freiheit des Gewissens und der Religion geklagt. Die Politiker fordern die Entfernung des Kruzifixes, das seit 15 Jahren im Plenarsaal des Unterhauses (Sejm) hängt.

In der Begründung der Klage weisen die RP-Abgeordneten darauf hin, dass das Kruzifix ohne Bewilligung der Parlamentsdirektion aufgehängt wurde. Das Parlament habe auch niemals eine Entschließung verabschiedet, die die Anwesenheit des Kreuzes im Plenarsaal legitimieren würde. RP-Chef Janusz Palikot erklärte gegenüber Journalisten, dass er - ein Atheist und Befürworter eines weltanschaulich neutralen Staates - gezwungen ist, seine parlamentarischen Pflichten in einem Saal mit Kruzifix auszuüben.

Berufung auf Verfassung

Die Tageszeitung „Rzeczpospolita“ erfuhr, dass das Warschauer Bezirksgericht die Parlamentskanzlei verpflichtet hatte, bis Mitte September ihre Antwort auf die Klage vorzubereiten. Die Verhandlung wird wahrscheinlich im November stattfinden.

Polen Plenarsaal des Parlaments

EPA / Leszek Szymanski

Ist das Kreuz im polnischen Parlament ein religiöses oder ein kulturelles Symbol?

Die Abgeordneten der RP haben bereits im Oktober, gleich nach dem Einzug der Partei ins Parlament, die Entfernung des Kruzifixes beantragt. Sie beriefen sich auf Artikel 25 der Verfassung über die weltanschauliche Neutralität des Staates.

Parlamentspräsidentin Ewa Kopacz hatte damals den RP-Antrag abgelehnt, weil laut den von der Parlamentsdirektion eingeholten Gutachten das Kruzifix im Plenarsaal des Sejm weder gegen die polnische Verfassung noch gegen EU-Recht verstößt.

Kreuz als „Symbol der Kultur“

Ryszard Piotrowski von der Warschauer Universität betonte in seiner Expertise, dass das Kreuz im Parlament kein Religionssymbol sei, sondern ein „Symbol der Kultur, die eine Quelle der Identität der polnischen Nation und ihres Fortbestehens und Entwicklung“ sei. Er wies darauf hin, dass die Problemlösungsversuche in dieser Frage die Würde des Kreuzes und des Sejms respektieren sollen und die Entfernung des Kreuzes aufgrund einer Verordnung der Parlamentspräsidentin unmöglich sei.

Palikot kündigte danach an, dass seine Partei, die nach der Wahl im Oktober zur drittstärksten Kraft im Parlament wurde, sich an das Verfassungsgericht und dann auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden wird. Laut einer Umfrage des Instituts TNS OBOP lehnt eine überwiegende Mehrheit der Polen die Forderung der RP ab, das 1997 angebrachte Kreuz aus dem Sitzungssaal des Parlaments zu entfernen. (APA)