Berlin regelt religiöse Beschneidungen

Unter strengen Vorgaben bleibt die religiöse Beschneidung von minderjährigen Buben in Berlin straffrei.

Eltern oder Sorgeberechtigte müssen in Berlin vor einer religiösen Beschneidung an minderjährigen Buben künftig eine Reihe von Vorgaben erfüllen. So müssen sie dem Eingriff schriftlich zustimmen und einen Nachweis der religiösen Notwendigkeit etwa durch eine Bestätigung der Gemeinde vorlegen. Das teilte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Mittwoch mit.

Jüdische Gemeinde bestürzt

Berlin hat sich damit, bis die Bundesregierung eine deutschlandweite Regelung präsentiert, für eine vergleichsweise strenge Zwischenlösung entschieden - für die Jüdische Gemeinde zu Berlin eine untragbare Regelung. Sie zeigte sich bestürzt über die künftige Rechtspraxis zum Umgang mit Beschneidungen in der Hauptstadt.

In einer Resolution habe die Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde die Pläne des Senats einstimmig abgelehnt. „Diese ist eine flagrante Einmischung in die über 3.000 Jahre alten Traditionen des Judentums“, begründete die Gemeinde am Donnerstag ihre Entscheidung.

Kritik von jüdischer und politischer Seite

Bedenken brachte auch der Zentralrat der Juden in Deutschland vor. Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer, sprach in der „Frankfurter Rundschau“ vom Donnerstag zwar von einem positiven Signal zugunsten der Religionsfreiheit, wertete aber die beschlossene Regelung als unzureichend.

„Die konkrete Zwischenlösung hilft uns nicht weiter“, sagte Kramer dem Blatt zufolge. Die traditionellen jüdischen Beschneider, die Mohelim, könnten demnach zwar ihre Tätigkeit weiter ausüben, müssten sich aber jeweils einer Einzelfallprüfung und möglicherweise auch einem Ermittlungsverfahren unterziehen. „Ich frage mich also, worin für uns die Verbesserung liegt“, wandte Kramer ein.

Jüdisches Krankenhaus Berlin - Einfahrt

EPA / Tim Brakemeier

Im Jüdischen Krankenhaus Berlin dürfen weiterhin Beschneidungen an minderjährigen Buben durchgeführt werden - allerdings unter strengen Auflagen.

Harte Worte fand auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD). Die Vorgabe, vor einer religiösen Beschneidung jüdischen oder muslimischen Glauben nachzuweisen, widerspreche der im Grundgesetz festgeschriebenen Bekenntnisfreiheit, erklärte der SPD-Politiker. Er forderte den Berliner Senat dazu auf, die neue Regelung zurückzuziehen.

Gesetzesentwurf noch im Herbst

Auslöser für die Debatte ist ein Urteil des Kölner Landgerichts, das im Mai Beschneidungen von Buben aus rein religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung gewertet hatte. Das Urteil wird von jüdischen und muslimischen Verbänden scharf kritisiert. Der Bundestag hatte im Juli die Bundesregierung aufgefordert, bis zum Herbst eine gesetzliche Grundlage für religiöse Beschneidungen zu schaffen.

Zumindest einen Entwurf zu einem neuen Gesetz werde es bald geben, kündigt Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in einem Gespräch mit der am Donnerstag in Berlin erscheinenden Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ an. Die Bundesregierung fühle sich verpflichtet, „baldmöglichst eine klare rechtliche Regelung vorzulegen. Es muss klar sein, dass in Deutschland jüdische und muslimische Traditionen geschützt bleiben.“ (dpa/AFP)

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