Deutsche Kirchen: Skepsis gegenüber „Ökumene jetzt“

Zurückhaltend reagieren die beiden großen deutschen Kirchen auf den Aufruf „Ökumene jetzt“ prominenter Christen.

Eine Überwindung der Kirchenspaltung sei „nicht ohne eine solide theologische Verständigung möglich“, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Mittwoch in Bonn. Auch der theologische Vizepräsident im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thies Gundlach, verwies auf bestehende Unterschiede im Glaubensverständnis beider Konfessionen. Es dürfe nicht der Eindruck gefördert werden, Theologie sei gleichgültig, so Thies in Hannover.

Katholiken und Protestanten aus Politik und Gesellschaft hatten den Aufruf „Ökumene jetzt - ein Gott, ein Glaube, eine Kirche“ am Mittwoch in Berlin veröffentlicht. 500 Jahre nach der Reformation und 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) sei es an der Zeit, die Kirchenspaltung zu überwinden, heißt es darin. Unter den Unterzeichnern sind Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker - mehr dazu in „Ökumene jetzt“: Kirchenspaltung überwinden (religion.ORF.at; 6.9.2012).

„Ausdruck unserer Ungeduld“

Es handle sich hierbei nicht um einen Verein, erläuterte Lammert. Alle Christen hätten die Möglichkeit, sich durch Unterschrift anzuschließen oder in einem Forum im Internet zu diskutieren. Die Unterzeichner verbinde die Überzeugung, dass die historisch gewachsenen konfessionellen Unterschiede die anhaltende Trennung nicht mehr rechtfertigten, so der CDU-Politiker.

Der SPD-Politiker Thierse bezeichnete den Aufruf als „Ausdruck unserer Ungeduld“. Man habe sich ausdrücklich gegen die Aufnahme konkreter Forderungen in den Appell entschieden. Vielmehr solle damit eine breite Debatte eröffnet werden. Von Weizsäcker betonte, Ökumene sei nicht nur eine Sache von „Amtspersonen, die nicht recht vom Fleck kommen“.

Zollitsch: Einigung nicht auf Sand bauen

Zollitsch räumte ein, eine gegenseitige Anerkennung der Kirchen allein sei tatsächlich zu wenig. Allerdings gelte: „Wenn die Einigung nicht auf Sand gebaut sein soll, muss das praktische Bemühen im Konkreten einhergehen mit der theologischen Vergewisserung im Grundsätzlichen.“ Der Hamburger katholische Erzbischof Werner Thissen betonte, in der Ökumene seien bereits große Fortschritte erreicht worden, besonders die gegenseitige Anerkennung der Taufe. Er freue sich, dass die Ökumene durch den Aufruf stärker in den Blick der Öffentlichkeit komme.

Bundestagsvizepäsidentin Katrin Göring-Eckardt plädierte für mehr Gelassenheit: „Dass wir über Trennungen klagen und sie überwinden wollen, ist das eine und spricht auch aus meinem Herzen“, schreibt sie in der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Donnerstag-Ausgabe). „Doch es verfestigt die Stagnation, die allenthalben in der Ökumene beklagt wird.“

ZdK lobt Aufruf

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) lobte den Aufruf. Er zeige, dass die Ökumene sichtbare Zeichen des Fortschritts brauche. Gerade die Kirchen im Land der Reformation müssten dafür Vorreiter sein, sagte ZdK-Präsident Alois Glück.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Sprecher der Christen in der FDP-Fraktion, Patrick Meinhardt, sagte, er müsse "ständig gegen den Frust kämpfen, dass theologische Barrieren zwischen den Konfessionen aufgebaut würden, wo die Lebensrealität längst eine andere sei. Angesichts weltweiter Christenverfolgungen müssten die Kirchen die Trennung überwinden.

Theologe: „Unterschiede in Spiritualität“

Der katholische Theologe Otto Hermann Pesch widersprach am Donnerstag im Sender „Deutschlandfunk“ den Aussagen der Kirchenrepräsentanten, nach denen es immer noch großen theologischen Klärungsbedarf in entscheidenden Fragen gebe. „Die argumentativen Klärungen liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch“, sagte er mit Blick auf den ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen. „Man muss sich nur bedienen.“

Pesch räumte ein, dass es weiterhin Unterschiede im Glaubens- und Kirchenverständnis zwischen Katholiken und Protestanten gebe. Die Frage sei aber, ob sie „wirklich noch kirchentrennend sind“, oder ob sie nicht lediglich als Unterschiede in der Spiritualität, in der Theoriebildung oder in der praktischen Schwerpunktsetzung zu werten seien, „die durchaus legitim sind“.

KAP/religion.ORF.at

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