„Eruv“ erleichtert jüdisches Leben in Wien

Ein symbolisch abgegrenztes Gebiet soll während des Sabbats jüdisches Leben in Wien vereinfachen.

Am Sabbat ist es den gläubigen Juden laut Thora verboten, Gegenstände außerhalb der eigenen Wohnung zu bewegen oder zu tragen, unabhängig davon, ob es sich um einen Kinderwagen oder eine Obststeige handelt. Doch es gibt Ausnahmen für dieses strenge Sabbatgesetz. Das Gebiet der eigenen Wohnung kann auf den Innenhof oder mehrere Häuser ausgedehnt werden.

Dieser Hof muss von Mauern oder Zäunen umgeben sein und gemeinsam genutzt werden. Und diese gemeinsame Nutzung drückt sich in der Verwendung eines „Eruv“ aus. Ein Eruv ist ein Lebensmittel - meistens Brot - das von allen Bewohnern geteilt wird. So gelten alle Bewohner als zu einem Haus gehörend und sind von der Verbotsregel des Tragens im „Gebiet des Eruv“ ausgenommen. Mittlerweile steht das Wort „Eruv“ auch für das Gebiet, in dem geteilt wird.

Blick über Wien und den Stephansdom

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Der neue Eruv umfasst etwa das Areal der inneren Bezirke bis hin zur Donau.

Für Laien nahezu unsichtbar

Im Laufe der Jahrhunderte wurden die Eruvim immer größer. Ganze Häuserblöcke und Stadtteile wurden zu „privatem Wohngebiet“ zusammengelegt. Damit der Eruv „funktioniert“, muss das Gebiet jedoch von Mauern oder Zäunen umgeben sein, sagte Rabbiner Schlomo Hofmeister im Gespräch mit religion.ORF.at. Aber die Grenzen können durchaus aus nur einem Seil oder einem Draht bestehen. Dieser muss dann um einen Häuserblock oder ein Wohnviertel gezogen wird. Für nicht Eingeweihte ist diese Grenze nahezu unsichtbar, aber sie muss lückenlos sein, so der Wiener Rabbiner.

„Privater Raum“

Ab sofort gibt es nun auch in Wien wieder, wie schon vor der NS-Zeit, einen Eruv. Es umfasst in etwa das Areal der inneren Bezirke, bis hin zur Donau. Als Eruv definiert, zählt dieses Gebiet nun für orthodoxe Juden zum „privaten Raum“ und ist somit vom Trageverbot am Sabbat ausgenommen. 25 Kilometer lang ist die Grenze des neuen Wiener Eruv. Neun Jahre plante man das Vorhaben und suchte nach bereits vorhandene Mauern, Zäunen, Drähten oder natürlichen Grenzen, wie sie auch die Donau darstellt.

Die Herausforderung war, die verschiedenen Zugänge unterschiedlichster orthodoxer jüdischer Strömungen und Auslegungstraditionen auf einen Nenner zu bringen, erzählt Georg Muzikant, bei dem die Verantwortung für die konkrete Planung des neuen Eruv lag. „Was gilt als Grenze, was nicht?“, war eine der meistdiskutierten Fragen unter den Rabbinern.

Keine zusätzlichen Baumaßnahmen

Vorplanungsbeauftragter Maurizi Berger schätzte 2007 gegenüber der Tageszeitung „Die Presse“, dass etwa vier bis fünf Kilometer der Eruv-Grenze neu überbrückt werden müssten. Dies würde durch das Spannen von Draht in einigen Metern Höhe an Masten geschehen, und man plante damals auch etwa vierzig bis fünfzig Masten neu aufzustellen. Die Kosten für die Errichtung wurden auf etwa eine Million Euro geschätzt und sollten über Spenden aufgebracht werden.

Über 150 Eruvim weltweit

Weltweit, Israel ausgenommen, existieren über 150 Eruvim. In Israel selbst sind es sogar weitaus mehr. Die genauen Grenzen des Wiener Eruv, der seit vergangenem Sabbat in Funktion ist, findet man im Internet unter www.eruv.at.

Doch laut Georg Muzicant wurden dann doch keine zusätzlichen Baumaßnahmen gesetzt. Man nützte bestehende Drähte wie Oberleitungen von Straßenbahnen und dergleichen, um das Gebiet lückenlos zu umspannen. „Ein Eruv ist heute keine Grenze, im Sinne von Mauern oder Stacheldrahtzäunen, sondern eher virtuell, symbolisch zu sehen“, so Muzicant. „Für den Laien sind die Begrenzungen beispielsweise überhaupt nicht zu erkennen“, sagte auch Hofmeister.

Angst vor antisemitischen Gruppen

Das bisher gespendete Geld wurde also nicht in Baumaßnahmen gesteckt, sondern vor allem für Experten und Sachverständige ausgegeben, so die Information von Muzicant. Die Kultusgemeinde kontrolliert nun regelmäßig, ob der Eruv intakt ist. Denn nur unbeschädigt gilt er als koscher.

Sabine Hahn, Marcus Marschalek; religion.ORF.at

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