Forderung: Islamophobie wie Antisemitismus verurteilen

Im Zuge der Proteste gegen einen Anit-Islam-Film in vielen muslimischen Ländern, kommt in der islamischen Welt der Ruf nach einer deutlicheren Verurteilung von Islamophobie auf.

Nach den Protesten gegen den antimuslimischen Schmähfilm aus den USA will der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eine weltweite Ächtung der Islamophobie erreichen. Er werde das Thema bei der bevorstehenden UNO-Vollversammlung in New York zur Sprache bringen, sagte Erdogan nach Presseberichten vom Montag.

Portrait von Recep Tayyip Erdogan.

dapd/ Sergei Chuzavkov

Die Türkei will nach den Worten des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan auch ihre eigenen Gesetze nachbessern. Es gehe um eine genauere Grenzziehung zwischen Meinungs- und Religionsfreiheit.

Er verwies darauf, dass die muslimische Türkei den Antisemitismus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gebrandmarkt habe. Dagegen habe der Westen die Islamophobie nicht geächtet, sondern sogar noch dazu ermuntert. Erdogan hatte in den vergangenen Tagen den US-Film als beleidigend kritisiert, zugleich aber vor gewaltsamen Reaktionen gewarnt; den tödlichen Angriff auf den US-Botschafter in Libyen bezeichnete er ausdrücklich als „Terror“.

Großscheich fordert UN-Resolution

Der einflussreiche Großscheich der Al-Azhar Universität, Ahmed al-Tajeb, mahnte seine muslimischen Glaubensbrüder angesichts der ausschreitenden Proteste ebenfalls zur Ruhe. Und forderte - um solche Ausschreitungen künftig zu verhindern - eine UNO-Resolution, die Blasphemie ächtet. Laut der Zeitung „Al-Masry Al-Youm“ argumentierte er, dass schließlich auch der Antisemitismus von den Vereinten Nationen stets verurteilt werde.

Frau hält Schild mit Text: I protest against disrespect of our beloved prophet Muhammad.

REUTERS/ Fayaz Kabli

Viele Muslime fühlen sich durch den Anti-Islam-Film gekränkt. Jedoch beschränkten sich nicht alle Demonstrationen auf friedlichen Protest.

„Die Wut hat den Verstand besiegt“, schreibt etwa auch die ägyptische Zeitung „Al-Shorouk“ zu den blutigen Protesten in der islamischen Welt gegen den Film. Aus Saudi-Arabien meldete sich der Vorsitzende des Obersten Rates der Religionsgelehrten und Groß-Mufti zu Wort. Wer seinem Zorn nachgebe, mache sich letztlich nur zum Erfüllungsgehilfen der Urheber des Hassvideos, erklärte Scheich Abdulasis bin Abdullah al-Scheich.

US-Behörden vernehmen Filmemacher

Die US-Polizei hat den mutmaßlichen Macher des islamfeindlichen Internetvideos vernommen. Das Video war offenbar im vergangenen Jahr von einem koptischen Christen gemeinsam mit einer rechten evangelikalen Gruppe produziert worden. Als Schlüsselfigur erscheint bisher Nakoula Basseley Nakoula. Der 55-jährige Kopte gab an, den gesamten, rund zweistündigen Film verbreiten zu wollen. Nakoula wurde am Samstag von der US-Justiz vernommen.

Neben Nakoula soll auch eine Organisation, die sich „Media for Christ“ nennt, an der Produktion des Films beteiligt gewesen sein. Der Gruppe gehören islamfeindliche evangelikale Christen wie Pastor Terry Jones aus Florida an. Jones war 2010 wegen der Verbrennung des Korans bekanntgeworden.

Regisseur war den Agenturen zufolge Alan Roberts, der davor mit Porno- und Actionfilmen sein Geld verdiente; neben Roberts und Nakoula sollen auch die beiden fundamentalistischen Christen Steve Klein und Joseph Nassralla an dem Film mitgearbeitet haben. Die beteiligten Schauspieler gaben an, nicht gewusst zu haben, dass der Streifen das Leben des Religionsstifters Mohammed thematisiert. Der Film sei neu synchronisiert worden.

Kopten distanzieren sich

Der Zeitung „Los Angeles Times“ zufolge sollen Nakoula, Klein und Nassralla von dem kalifornischen suspendierten koptischen Priester und Anti-Islam-Hardliner Zakaria Botros beeinflusst gewesen sein. Botros habe wiederholt erklärt, Mohammed sei ein Homosexueller und Kinderschänder gewesen sei.

Die koptisch-orthodoxe Diaspora in den USA und anderen Ländern distanziert sich aufs Schärfste vom kalifornischen christlich-fundamentalistischen Netzwerk, das für das Video verantwortlich ist. Jene drei aus der koptischen Kirche stammenden Personen, die an der Produktion des Skandal-Films direkt oder indirekt mitbeteiligt sein sollen, werden als Outsider charakterisiert.

Die koptisch-orthodoxe Diözese Sydney, die das Video am Wochenende nach gewaltsamen Ausschreitungen klar verurteilte, verwies in zugleich darauf, dass Botros 2003 an Papst-Patriarch Shenouda III. mit der Bitte um Entlassung aus dem Priesteramt herangetreten sei. Shenouda habe dieser Bitte damals entsprochen.

Deutschland will Video verbieten

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Streit um das islamfeindliche Video alle Seiten zu Mäßigung gemahnt. „Gewalt ist kein Mittel der Auseinandersetzung“, sagte Merkel am Montag in Berlin. „Wir treten ein für ein friedliches Zusammenleben der Religionen.“ Dies gelte für Deutschland, aber auch weltweit.

Zugleich hat Merkel Sympathien erkennen lassen, die öffentliche Aufführung des Schmähvideos über den Propheten Mohammed in Deutschland zu untersagen. Die Behörden müssten prüfen, ob daraus erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit resultieren könnten, sagte Merkel am Montag in Berlin. „Ich kann mir vorstellen, das es dafür gute Gründe gibt.“

Dies müsse jetzt juristisch untersucht werden. Es gehe aber nicht um ein Verbot des Videos insgesamt. In Deutschland hat die rechtsextreme „Bürgerbewegung pro Deutschland“, die das Video im Internet verbreitet, angekündigt, den Film in Berlin aufzuführen. Das hat eine heftige Diskussion über ein Verbot des Videos ausgelöst.

Bereits mehrere Tote

In dem Amateurfilm wird der Prophet Mohammed verunglimpft. Bei einer Kundgebung gegen das Video attackierten Angreifer am Dienstag das US-Konsulat im libyschen Benghazi und töteten den US-Botschafter, drei weitere Diplomaten sowie libysche Sicherheitskräfte. Am Freitag griffen Demonstranten in der sudanesischen Hauptstadt Khartum die deutsche, die britische und die US-Botschaft an. Bei Protesten in mehreren muslimischen Ländern wurden in den vergangenen Tagen bereits mehrere Menschen getötet.

(APA/AFP/DPA/KAP)

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