Mohammed-Film: Gewalt und Vernunft

In der islamischen Welt gärt es seit der Verbreitung eines antiislamischen Films. Es wird mit weiteren Ausschreitungen und Gewalt gerechnet. Doch es gibt auch Stimmen der Vernunft.

Seit der Veröffentlichung des antiislamischen Films „Die Unschuld der Muslime“ im Internet, in dem der Prophet Mohammed geschmäht und Muslime verunglimpft werden, kam und kommt es in den letzten Tagen zu Protesten und Ausschreitungen in der islamischen Welt. Befeuert wurde der Konflikt durch von einer französischen Zeitschrift publizierte Mohammed-Karikaturen. Eine neue Eskalation der Gewalt wird für das Wochenende befürchtet. Nach traditionellen Freitagsgebeten kam es wieder zu Gewalt mit Toten und Verletzten.

Die Wut, die der Filmtrailer bei vielen Muslimen weltweit auslöste, und die Opfer der dadurch ausgelösten Gewalt dominieren das Thema. Doch gibt es auch andere Stimmen, die zu Ruhe und Besinnung aufrufen, und dazu, nicht in die durch den Film ausgelegte „Falle“ zu tappen - und so auf die Provokation zu reagieren, wie die Welt es von den Muslimen zu erwarten scheint - mehr dazu in Provokante Mohammed-Karikaturen sorgen für Unruhe.

Reflexartige Berichterstattung

Befremdlich wirkt auf die westliche Welt, wie prompt sich die Proteste auf einen so plumpen, offensichtlich als Provokation angelegten Videoclip einstellen. Aber auch die westlichen Medien haben längst eine eingefahrene, reflexartige Vorgehensweise, wie mit Ereignissen dieser Art zu verfahren ist.

Frauen protestieren gegen antiislamischen Film in Lahore, Pakistan

EPA/Rahat Dar

Bilder friedlicher Proteste wie hier im pakistanischen Lahore finden selten ihren Weg in die Medien

So analysiert der „Economist“ (Onlineausgabe) eine Szene, die sich vor einer Woche auf dem Tahrir-Platz in Kairo ereignete. Ein vollbärtiger Prediger habe eine Brandrede gegen den gerade aufgetauchten Filmtrailer gehalten. Kurz danach hätten Jugendliche auf Polizisten Steine geworfen, die die nahe gelegene US-Botschaft beschützten, so der „Economist“. So weit, so bekannt.

Nur ein Häufchen „gewaltbereite Jugendliche“

Doch die TV-Sender, der diese Szenen ausstrahlten, hätten eine erhebliche Tatsache verborgen: „Wie während anderer Proteste in der Region zählte die Menge bei der feurigen Freitagspredigt nur einige hundert - an einem Ort, wo tausendmal so große Menschenmassen alltäglich geworden sind“, so der „Economist“. Der Rest der 20 Millionen Einwohner Kairos sei seinen üblichen Geschäften nachgegangen. Auch die Zahl der steinewerfenden Jugendlichen, die auf dem Bildschirm so bedrohlich herüberkommen, habe sich lediglich auf wenige Dutzend belaufen.

Dennoch kamen bereits mehrere Menschen durch die Ausschreitungen ums Leben. Der „Economist“ zitiert Elias Khoury, einen libanesischen Autor, der für die in London beheimatete Tageszeitung „Al-Kuds al-Arabi“ schreibt. Der „Film“, so Khoury, war eigentlich nur ein Trailer. „Es sind wir, die Araber, die das Spektakel sind.“

Politiker um Deeskalation bemüht

Weltweit - auch hierzulande - sind Organisationen und Politiker um Beruhigung bemüht. Malaysias Regierungschef Najib Razak etwa bezeichnete am Freitag das Video als „tief verletzend“, rief seine Landsleute aber auch dazu auf, Ruhe zu bewahren und dafür zu sorgen, dass die Proteste in seinem Land nicht in Gewalt ausarten. „Mehr als je zuvor muss jeder von uns dazu beitragen, dass wir uns alle um mehr Respekt, Toleranz und gegenseitiges Verständnis bemühen, um in Harmonie leben zu können“, sagte er.

Auch die USA sind um Deeskalation bemüht. In Pakistan laufe auf sieben Fernsehsendern ein Spot, in dem sich Präsident Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton von dem Video distanzierten, hieß es am Freitag aus dem US-Außenministerium in Washington. In dem in Urdu untertitelten Spot sagt Obama, die USA seien ein Land, das seit seiner Gründung alle Glaubensrichtungen akzeptiere. Clinton versichert, dass die USA mit dem islamfeindlichen Video nichts zu tun hätten. Der Spot könnte bis zu 90 Millionen Menschen in Pakistan erreichen.

„Achtung Falle“

Die österreichischen Muslime verurteilten die in dem Video enthaltenen „Provokationen und Beleidigungen“, distanzierten sich aber zugleich von gewaltsamen Protesten. „Es gibt keine Rechtfertigung für solche Taten, und die sie verüben, sind als Kriminelle zu sehen“, heißt es in einer Erklärung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) von letzter Woche.

„Orientierung“:

Gefährlicher Fundamentalismus: Wer hat Interesse an der Hetze?

Sonntag 23. September 2012, 12.30 Uhr, ORF 2

Wiederholung am 23. September 2012, 17:05 Uhr, ORF III

In Wien ist für Samstag eine Demonstration gegen den Film geplant. Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich distanzierte sich per Aussendung von Freitag davon: „Wir distanzieren uns. Achtung Falle!“ Der Verein rief alle Muslime dazu auf, bei diesem „schmutzigen Spiel nicht mitzumachen. Das ist nämlich eine Falle.“ Man müsse Ruhe bewahren und „gegen diese Hetzer und Hasser aus den beiden Lagern ankämpfen“ und dürfe ihnen vor allem nicht den nötigen „Showroom“ bieten.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

Links: