Krätzl: Neuer Aufbruch durch Konzilsjubiläum

Eine neue Aufbruchsstimmung in der Kirche erhofft sich der Wiener emeritierte Weihbischof Helmut Krätzl vom 50-jährigen Konzilsjubiläum. Das Potenzial des Konzils sei noch nicht ausgeschöpft.

50 Jahre nach dem Beginn des II. Vaticanums (1962 bis 1965) sollte wieder mehr Freude und Wille zur Erneuerung in der Kirche Einzug halten, so Krätzl im Gespräch mit „Kathpress“. Das vom Konzil aufgezeigte Prinzip der Kollegialität der Bischöfe mit dem Papst sei noch viel zu wenig entwickelt. Er hatte von 1962 bis 1965 als junger Priester im Dienst Kardinal Franz Königs in der Konzilsaula des Petersdoms als Stenograf die Diskussionen verfolgt.

Viel Potenzial

Das Potenzial des Konzils sei in vielen Bereichen immer noch nicht entsprechend gehoben, so Krätzl. Er verwies in diesem Zusammenhang u.a. auf das „gemeinsame Priestertum“ aller Getauften. Laien und Klerus müssten gemeinsam Sorge und Verantwortung für Kirche und Welt tragen. Das Konzil habe betont, dass Laien vertrauensvolle Aufgaben in der Kirche zu übertragen seien und ihnen auch Freiheit und Raum im Handeln eingeräumt werden müsse. Dass dieser Aspekt bei der jüngst von Kardinal Christoph Schönborn angekündigten Wiener Diözesanreform besonders hervorgehoben wird, sei sehr zu begrüßen, so der Weihbischof im „Kathpress“-Gespräch.

„Das Konzil ein Sprung vorwärts“

In wenigen Tagen erscheint Krätzls neues Buch „Das Konzil - ein Sprung vorwärts. 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil. Ein Zeitzeuge zieht Bilanz.“ Weihbischof Krätzl wird sein neues Buch am Donnerstag, 4. Oktober, um 19 Uhr in der Wiener Donaucitykirche (1220 Wien, Donau-City-Straße 2) vorstellen.

Freilich brauche es dazu auch ein neues Bewusstsein für die „ungeahnte Tiefe“ des Sakraments der Taufe. Krätzl sprach von der „Taufweihe“, mit der alle Gläubigen zum priesterlichen Dienst berufen sind. „In der Taufe vollzieht sich unser aller Priesterweihe.“ Dieses gemeinsame Priestertum schmälere andererseits überhaupt nicht die Stellung des geweihten Priesters in der Kirche und dessen Identität, hielt der Bischof fest.

Ein wesentliches Verdienst des Konzils sei weiters die katholische Wiederentdeckung der Bibel als höchste Richtschnur des Glaubens. Deshalb sollte das von Papst Benedikt XVI. ausgerufene „Jahr des Glaubens“ vor allem auch ein „Jahr der Bibel“ werden, forderte Krätzl. Nur so könne eine wirkliche „Vertiefung des Glaubens“ gelingen.

Mehr Kompetenzen für Bischofskonferenzen

Unzufrieden zeigte sich Krätzl mit der praktischen Verantwortung der Bischöfe für die Weltkirche. Das vom Konzil aufgezeigte Prinzip der Kollegialität der Bischöfe mit dem Papst sei noch viel zu wenig entwickelt. Römische Bischofssynoden seien nicht effizient genug, zumal bisher auch immer die Letztentscheidung beim Papst gelegen war, was keine absolute Notwendigkeit sei. Auch die regionalen Bischofskonferenzen hätten zu wenig Kompetenzen, so Krätzl.

Festgottesdienst im Stephansdom

Zum 50. Jahrestag der Eröffnung des zweiten vatikanischen Konzils hält Weihbischof Krätzl einen Festgottesdienst und einen Vortrag im Stephansdom.

11.Oktober 18:00 Gottesdienst, 19:30 Vortrag.

Es sei klar, dass es bei vielen offenen Fragen päpstliche Letztentscheidungen gebe. Lösungen seien aber nur dann möglich, wenn die Bischöfe ihre Verantwortung nicht gegen Rom, sehr wohl aber mit Rom ausüben. Dazu seien sie sogar verpflichtet, betonte der Weihbischof.

Zur vom Konzil angestoßenen Liturgiereform meinte Krätzl, dass diese unbedingt weitergeführt werden müsse. Es brauche eine größere Vielfalt an liturgischen Texten, auch die in den Gottesdiensten verwendeten Bibelstellen gehörten nochmals überarbeitet. Es sei auch nicht einzusehen, warum in liturgischen Frage immer noch alle Letztentscheidungen bei Rom liegen. Hier könnten die regionalen Bischofskonferenzen mehr Kompetenzen erhalten und Verantwortung übernehmen. Letztlich gehe es darum, dass die Liturgie auf den jeweils entsprechenden Kulturkreis abgestimmt ist.

Gegen Eucharistiefeier in Discos

Kritisch beurteilte der Bischof manche Entwicklungen bei Jugendmessen, die etwa in Discos stattfinden. Eucharistiefeiern in einem solchen Rahmen könne er nicht befürworten - „hier ist eine Grenze überschritten“ -, niederschwelligere liturgische Angebote allerdings sehr wohl. Die Eucharistie dürfe aber jedenfalls nicht zu einem „Event“ verkommen.

Krätzl wies u.a. auch darauf hin, dass im Bereich der Liturgie volksnahe Bewegungen wie jene des Klosterneuburger Chorherren Pius Parsch Anfang des 20. Jahrhunderts eine wegweisende Rolle gespielt hätten. Damals vom Vatikan noch scharf kritisiert, hätten die Konzilsväter diese Bewegungen dann sogar dankend erwähnt.

Mut zu Neuem

Als wohl dramatischstes Dokument des Konzils bezeichnete Krätzl jenes über die Religionsfreiheit (Dignitatis humanae). Hier hätten die Konzilsväter eine vollständige Wende vollzogen. Zuvor habe die Position gegolten, dass es keine Religionsfreiheit geben könne, „weil die Wahrheit ihr Recht hat“. Religionsfreiheit urteile - nach dem neuen Verständnis - aber nicht über die Wahrheit dieser oder jener Religion, „sondern spricht dem Menschen in seiner Würde zu, nach seinem Gewissen eine Religion auszuüben“.

Als weiteren wesentlichen Punkte des Konzils nannte Krätzl eine neue Sicht der Ehe, die nicht mehr rein verzweckt auf die Weitergabe des Lebens verstanden wurde; ebenso eine neue Offenheit hin zu den anderen christlichen Kirchen und zum Judentum.

Die Einberufung eines Dritten Vatikanischen Konzils würde er zum derzeitigen Zeitpunkt nicht befürworten, so Krätzl. Dazu sei die „kirchliche Großwetterlage zu konservativ“. Zwar sei auch vor 50 Jahren die vatikanische Kurie stark auf der Bremse gestanden, die Mehrzahl der Bischöfe mit Papst Johannes XXIII. an der Spitze sei aber klar für eine fortschreitende und sich erneuernde Kirche gestanden. Krätzl: „Sie hatten Mut zu wirklich Neuem.“

KAP

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