Hirtenbrief: „Pattsituation“ in katholischer Kirche

Österreichs Bischöfe wollen im Konflikt mit der Pfarrer-Initiative aus der „Sackgasse“ herausfinden. Am Mittwoch präsentierte Kardinal Schönborn ein gemeinsames Hirtenwort. Konkrete Ansätze bleibt dieses allerdings schuldig.

„Wir wollen nicht verschweigen, was vielfach uns gegenüber und auch öffentlich gesagt wird: dass es eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Situation der Kirche und besonders mit der ‚Kirchenleitung‘, mit uns Bischöfen und mit Rom, gibt.“ Österreichs Bischöfe sprechen in ihrem gemeinsamen Hirtenwort, das am Mittwoch vom Vorsitzenden der österreichischen Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, in Wien vorgestellt wurde, offen die gegenwärtige Situation der Kirche in Österreich an. Sie orten eine schwere Krise: Immer weniger Priester stehen einer schwindenden Zahl von Gläubigen gegenüber.

Reformstau

Die Bischöfe verwenden in ihrem Brief das Schlagwort „Reformstau“, wehren sich allerdings gegen diesen Befund und stellen sich selbst als durchaus reformwillig dar. „Unsere Pfarren sind mit ganz neuen Gegebenheiten konfrontiert. Wir haben oft noch nicht den Weg gefunden, dieser neuen Situation angemessen zu begegnen.“

Das Hirtenwort in der Kurzversion:

  • Nein zur Aufweichung des Zölibats
  • Bedenken gegenüber alternativen Gemeindeleitungsmodellen
  • Stärkung der Eucharistiefeier
  • „Menschlicher“ Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen
  • Optimistische Sicht auf die Weltkirche
  • Glaube als Antwort auf Probleme

In den Forderungen der Pfarrer-Initiative und ihres Obmanns Helmut Schüller sehen die österreichischen Bischöfe allerdings keine Lösungen für die aktuelle Kirchenkrise. Über Pfarren und Kirchenzeitungen soll das Hirtenwort an alle Katholikinnen und Katholiken in Österreich verteilt werden. Die zentrale Botschaft ist die Erneuerung des Glaubens. „Wir sehen nur eine Antwort auf die bedrängte Situation unserer Kirchengemeinschaft: den Glauben“, schreiben die Bischöfe, inspiriert von Papst Benedikt XVI., der ein „Jahr des Glaubens“ ausgerufen hat.

Gemeinsame Sorgen, trennende Lösungsansätze

„Die Sorgen, die hinter bestimmten ‚Reformforderungen‘ stehen, sind uns gemeinsam“, formulieren die Bischöfe versöhnlich, doch die Lösungsansätze dürften weiterhin Bischöfe und Reformgruppen trennen. In der Berufung auf das Zweite Vatikanische Konzil wollen Österreichs Bischöfe etwa am priesterlichen Zölibat festhalten. „Alle Bischofssynoden“ hätten seither „diesen Weg als für die Kirche gültig bestätigt“. Damit wird eine der zentralen Forderungen der Pfarrer-Initiative und auch der Plattform „Wir sind Kirche“ klar zurückgewiesen.

Gegen Verwischung

Auch in Bezug auf die Eucharistiefeier zeigen sich die österreichischen Bischöfe wenig kompromissbereit. Der Priestermangel zwingt derzeit viele Gemeinden, am Sonntag ohne Eucharistiefeier zusammenzukommen. Pfarrassistentinnen und Gemeindeleiter haben daher in vielen Gemeinden begonnen, Wortgottesdienste am Sonntag zu feiern. „Die Grenze zwischen Eucharistiefeier und Wortgottesdienst darf nicht verwischt werden. Hier steht die Einheit der Kirche auf dem Spiel“, kritisieren Österreichs katholische Hirten jedoch diese Praxis.

Kardinal Christoph Schönborn bei der Pressekonferenz zum Hirtenwort

ORF/Marcus Marschalek

Kardinal Schönborn präsentierte das Hirtenwort am Mittwoch in Wien

Die Bischöfe machen auch deutlich, dass die Verantwortung für die Gemeinden in der Hand des Pfarrers liege. Das wiederum wird die Möglichkeiten der schon recht weit verbreiteten Team-Leitungsmodelle in vielen Pfarren gering halten. In ihrem Hirtenwort, das von Kardinal Schönborn am Mittwoch bei einer Pressekonferenz präsentiert wurde, grenzten die Bischöfe zwar mit freundlich Worten aber doch bestimmt den „Freiraum“ und die Rollenverteilung bei der Gemeindeleitung ein.

Scheitern möglich, aber nicht erlaubt

Bezüglich der Frage nach geschiedenen und wiederverheirateten Katholikinnen und Katholiken sprechen die Bischöfe offen ein Dilemma an. Kirchlicher Anspruch und gelebte Praxis klaffen hier offensichtlich weit auseinander. Immer wieder hätten „kirchliche Stimmen eine offenere Praxis im Umgang mit Situationen des Scheiterns und Neuanfangens“ gefordert, greift Österreichs Kirchenleitung eine langjährige Forderung vieler Reformgruppen konkret auf.

Doch in Berufung auf das Matthäus-Evangelium weigern sich die Bischöfe erneut, eine allgemein gültige Antwort auf dieses Dilemma zu geben: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ In dieser Sache würden oft Rezepte von ihnen verlangt, die sie nicht geben könnten, so die Bischöfe, „generelle Lösungen, die mit den klaren Worten Jesu und mit der Treue zur Lehre der Kirche unvereinbar sind“. Gleichzeitig aber bemühen sie sich erneut, die Entscheidung im Einzelfall in den Vordergrund zu stellen: Die Kirche habe sich „immer neu an Jesu Haltung den Sündern gegenüber zu orientieren, die die Sünde benennt, dem Sünder aber voll Barmherzigkeit begegnet.“

Helmut Schüller.

APA/ Herbert Pfarrhofer

Die Bischöfe widersprechen den Forderungen von Helmut Schüllers Pfarrer-Initiative klar und machen keine Zugeständnisse.

Widerspruch zur Pfarrer-Initiative

Schönborn betont im Namen der österreichischen Bischöfe, dass „ein Aufruf zum Ungehorsam nicht unwidersprochen hingenommen werden kann“. Man befände sich in einer Art „Patt-Situation“ mit der Pfarrer-Initiative und sehe im „Jahr des Glaubens“ eine Chance, gemeinsam aus „scheinbaren oder wirklichen Sackgassen herauszufinden“. Es gehe darum, den Konflikt nicht weiter aufzuschaukeln, so die Bischöfe. Doch Zugeständnisse an die Forderungen der „ungehorsamen“ Pfarrer gibt es nicht.

Bereits im Jänner 2012 hatten Vertreter der österreichischen Bischofskonferenz den vatikanischen Dienststellen in Rom Auskunft über die Pfarrer-Initiative geben müssen. In seiner Predigt bei der Chrisammesse am Gründonnerstag ging Papst Benedikt XVI. dann auch persönlich auf die „ungehorsamen“ Geistlichen rund um Helmut Schüller ein.

Jahr des Glaubens zum Konzilsjubiläum

Das „Jahr des Glaubens“ beginnt am 11. Oktober und dauert bis 24. November 2013. Anlass ist das 50-Jahr-Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils, das am 11. Oktober 1962 begann.

Ein wichtiges weltkirchliches Ereignis ist in diesem Zusammenhang die in Rom tagende Bischofssynode (7. bis 28. Oktober), die sich mit Fragen der Neuevangelisierung und der Weitergabe des Glaubens befassen wird. Kardinal Schönborn nimmt als vom Papst persönlich ernanntes Mitglied an den Beratungen der Synode teil, der Eisenstädter Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics ist eine weiterer Synodenteilnehmer aus Österreich, er wurde von der Bischofskonferenz nominiert.

Vorgestellt wurden auch Initiativen und Projekte zum „Jahr des Glaubens“, darunter etwa eine österreichweite Website, auf der die wesentlichen Informationen, Projekte und Termine zusammengetragen werden.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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