„Ein aus dem Ruder gelaufener Rechtskatholizismus“
Über Jahre hinweg hat die radikale rechtskonservative Seite kreuz.net ihre menschenverachtenden Ansichten im Internet verbreitet. In der letzten Zeit wird es für die Hetzseite allerdings eng - mehr dazu: Wird es eng für kreuz.net?( religion.ORF.at; 18.10.2012).
Wenn die deutschen und österreichischen Staatsanwaltschaften mit ihren jüngsten Bemühungen Erfolg haben, dann könnten die Macher der Seite bald auf der Anklagebank sitzen. Noch ist nicht klar, wer tatsächlich hinter kreuz.net steht, auch wenn eine der Spuren nach Österreich führen dürfte – mehr dazu: kreuz.net: Verfassungsschutz ermittelt (religion.ORF.at; 21.11.2012).
Kathbild / Franz Josef Rupprecht
Verzweiflung über II. Vaticanum
Die Frage, die sich aber wohl viele beim Lesen der homophoben, antisemitischen und alles in allem unflätigen Artikel der Seite stellen, ist: Wer schreibt so etwas? Der Grazer Professor für Pastoraltheologie, Rainer Bucher, hat zumindest seine Vermutungen, was den geistig-religiösen Hintergrund der kreuz.net- Autoren betrifft.
"Meiner Einschätzung nach repräsentiert kreuz.net einen aus dem Ruder laufenden Rechtskatholizismus. kreuz.net ist ein Symptom für dessen verzweifelte Lage angesichts des II. Vatikanischen Konzils, das ihm seine lehramtliche Grundlage entzogen hat und auch angesichts des Siegeszugs einer liberalen, kapitalistischen Gesellschaft, die er immer bekämpft hat“, sagt Bucher im Gespräch mit religion.ORF.at.
Ungewöhnliche Form
Antijudaismus, Demokratieskepsis, Homophobie, Verachtung zeitgenössischer Kunst, innerkirchliche Konfliktverschärfung und Denunziation von „Abweichlern“ seien dabei klassisch für den Rechtskatholizismus. Ungewöhnlich sei allerdings die Form, in die diese Themen auf kreuz.net gegossen werden.
Sendungshinweis:
„Orientierung“ am 2.12. um 12.30 Uhr in ORF 2 begibt sich auf die Suche nach den Hintermännern von kreuz.net
„Diese Art des bewusst nichtobjektiven, unflätigen, polemischen und radikal subjektiven Journalismus gibt es auch außerhalb des kirchlichen Raumes“, so der Theologe, der von einem „aggressiven Gonzo-Journalismus“ spricht. Bekannt gemacht hat diese Art des Journalismus – ganz außerhalb jeder Religionsberichterstattung - vor allem der Amerikaner Hunter S. Thompson, dem mit „The Rum Diary“ im letzten Jahr ein filmisches Denkmal gesetzt wurde.
Überproportionale Aufmerksamkeit
Für Rainer Bucher ist es durchaus bemerkenswert, dass sich Teile des Rechtskatholizismus auf kreuz.net öffentlich dieser literarisch-journalistischen Form bedienen. Gebe er damit doch seine traditionelle Objektivitäts- und Erhabenheitsperspektive auf und werde radikal subjektiv.
„Andererseits hat es kreuz.net damit geschafft, eine gegenüber der realen kirchlichen Bedeutung weit überproportionale Aufmerksamkeit für den Rechtskatholizismus zu erlangen“, räumt Bucher ein. Vielleicht steckt tatsächlich Kalkül hinter der aggressiven und beleidigenden Wortwahl der Seite. Die mediale Berichterstattung der letzten Wochen war dann wohl Wasser auf die Mühlen der kreuz.net-Macher.
Martin Steinmüller, religion.ORF.at