Frauenmorde in Italien: Priester sieht Frauen mitschuldig

Während Italien Strafen für Frauenmorde verschärfen will, sorgt ein Priester für Empörung. Der Pfarrer aus Ligurien publizierte einen Text, in dem er provokatives Verhalten von Frauen für Morde verantwortlich macht.

„Frauen sollten Selbstkritik üben. Wie oft provozieren sie die Männer mit ihrem Verhalten?“, heißt es in dem Text, den Piero Corsi, Pfarrer der Ortschaft San Terenzo di Lerici in seiner Pfarrei am Schwarzen Brett veröffentlichte. Der zuständige Bischof Palletti von La Spezia hatte den Aushang bereits am Heiligen Abend entfernen lassen und den Pfarrer für den Stephanitag zu sich bestellt. Mit den dramatischen Fakten der Gewalt gegen Frauen könne man nicht in dieser Form umgehen, sagte er der katholischen Tageszeitung „Avvenire“ (Donnerstag).

Nach der Vorladung durch den zuständigen Bischof entschuldigte sich Corsi am Mittwoch bei allen Frauen, die sich durch seinen Text angegriffen gefühlt haben, berichtet die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Ein angebliches Schreiben des Priesters, in dem er seinen Rückzug bekannt gibt, hat sich laut La Repubblica indessen als Fälschung gherausgestellt.

„Kleidung löst niedrigste Instinkte aus“

„Frauen provozieren immer häufiger, sie sind oft arrogant, sie denken, dass sie total selbstständig sind, und verschärfen somit nur die Spannungen. Kinder werden sich selbst überlassen, die Wohnungen sind schmutzig, die Speisen sind kalt, oder kommen aus Fast Food-Restaurants. Wenn es in den Familien eskaliert und es zum Mord kommt - eine Form von Gewalt, die zu verurteilen ist und scharf bestraft werden muss - liegt die Verantwortung oft auf beiden Seiten“, hatte der Priester geschrieben.

Corsi klagte, dass junge und ältere Frauen oft provokativ gekleidet seien. „Sie lösen damit die niedrigsten Instinkten der Männer aus. Wie viele Frauen betrügen ihre Männer am Arbeitsplatz, in Sportzentren, in den Kinos?“, hieß es. Die Kampagne Corsis hatte empörte Reaktionen ausgelöst. Intellektuelle und Politikerinnen kritisierten den Priester scharf. „Wir fordern die höchsten zivilen und religiösen Behörden, aktiv zu werden, da der Priester der das Plakat angebracht sofort entfernt werden muss. Wir glauben, dass dieser Text ein schwerwiegender Verstoß gegen die Würde der Frau ist“, sagte die Präsidentin von „Telefono Rosa“, einer Initiative gegen Gewalt an Frauen, Maria Gabriella Moscatelli Carnieri, gegenüber La Repubblica.

„Wahnsinnige Ideen“

„Das sind wahnsinnige Ideen, die der Kirche nur schaden“, klagte Ex-Frauenministerin Mara Carfagna. Laut einem Gesetzentwurf, der von Carfagna im römischen Parlament eingereicht wurde, sollen Frauenmörder in Italien immer mit lebenslänglicher Haft bestraft werden. Außerdem soll der Mord an einer Frau nach jahrelangen Misshandlungen als erschwerender Umstand betrachtet werden. „In Italien gibt es weiterhin reaktionäre Begriffe und Vorurteile, denen die systematische Diskriminierung der Frauen und die Verletzung ihrer fundamentalen Rechte zugrunde liegen“, so die Ex-Ministerin.

120 Frauenmorde im vergangenen Jahr

In Italien wächst die Sorge wegen zunehmender Gewalt an Frauen. Nachdem seit Jahresbeginn 120 Frauen von Ehemännern, oder Lebensgefährten ermordet wurden, hat die Frauenbewegung „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ mit einer landesweite Kampagne gegen das „Frauenmassaker“ begonnen. Die Bewegung startete eine Unterschriftensammlung gegen die eskalierende Gewalt gegen Frauen. Der Appell wurde von namhaften Intellektuellen, Politikern und Journalisten unterzeichnet.

Die bisher höchste Zahl an Frauenmorden gab es in Italien 2006, als 195 derartige Verbrechen registriert wurden. In Italien wird fast jeder vierte Mord innerhalb der Familie verübt. In den meisten Fällen ist Eifersucht das Motiv.

religion.ORF.at/ APA

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