IKG-Präsident Deutsch: Anstieg an antisemitischen Vorfällen

Antisemitische Vorfälle haben sich laut IKG-Präsident Oskar Deutsch 2012 in Österreich verdoppelt. Die Situation in anderen europäischen Ländern, etwa in Ungarn, wo es zu antisemitischen Aussagen im Parlament gekommen ist, sei sogar noch dramatischer.

Das gab der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Österreich, Oskar Deutsch, im Interview mit der Tageszeitung „Kurier“ (Montag) bekannt. Deutsch zeigte sich sehr besorgt über einen signifikanten Anstieg des Antisemitismus in mehreren Ländern Europas wie auch in Österreich. Dokumentierte die IKG im Jahr 2011 hierzulande noch 71 Fälle, waren es im Vorjahr mit 135 antisemitischen Übergriffen fast doppelt so viele.

IKG-Präsident Oskar Deutsch

APA/Herbert Neubauer

IKG-Präsident Oskar Deutsch

An politische Verantwortungsträger appellierte der IKG-Präsident, klar Stellung gegen jede Form von Judenhass zu beziehen. Die EU müsse sich aktiver gegen Antisemitismus einsetzen. „Wenn die Leute merken, es schreit niemand auf, wird es von Mal zu Mal einfacher“, so Deutsch im „Kurier“ zum deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle im Vorjahr.

Antisemitismus werde „scheinbar salonfähig“, die Politik reagiere darauf zu zögerlich, etwa auf die „antisemitische Karikatur auf Straches Facebook-Seite“. Er bezog sich damit auf eine als fettleibig und gierig karikierte Cartoonfigur eines Bankers, die Stereotype aus dem antisemitischen Diffamierungsrepertoire wie Hakennase und Davidsstern auf den Manschettenknöpfen aufwies.

Klare Grenzziehung

Von Regierung und Polizei erwartet sich der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Aufklärungsarbeit zur Sensibilisierung des Bewusstseins sowie eine klare Grenzziehung gegenüber Antisemitismus. Deutsch appellierte aber auch an die „Führung der muslimischen Glaubensgemeinschaft“ in Österreich, stärker gegen Antisemitismus aufzutreten. Als grundlegendes Ziel der IKG gab er an, dass „Juden weiter ihr jüdisches Leben in Österreich leben können“ und die Kultusgemeinde ihr Wachstum fortsetze.

Nach Einschätzung von Deutsch seien drei Gruppen für die Zunahme des Antisemitismus verantwortlich: die „Rechten“, die „radikalen Islamisten und Linksextremen“. In Skandinavien etwa seien aufgrund massiver antisemitischer Agitationen seitens islamistischer Gruppierungen zwei Drittel der jüdischen Gemeinde aus der schwedischen Stadt Malmö ausgewandert.

Ungarn: Antisemitismus im Parlament

Als besonders gefährlich stuft der Präsident der Israelitischen Kulturgemeinde Österreichs den Antisemitismus in Ungarn ein: „In Ungarn werden Minderheiten, Roma und Juden, physisch attackiert. Viele Juden, die den Holocaust überlebt haben, gingen zuletzt mit dem Davidstern auf die Straße“. Deutsch verwies auch auf einen Abgeordneten der rechtsextremen und im Parlament als drittgrößte Fraktion vertretenen Jobbik-Partei, der verlangt hatte, dass „jüdische Politiker in Ungarn gelistet werden. Darauf antwortete die EU mit einem Dreizeiler“, kritisierte Deutsch.

In Folge dieser Aussage kam es Anfang Dezember in Budapest zu mehreren Großdemonatrationen. Einige Demonstranten hatten sich gelbe Sterne an ihre Kleidung geheftet, in Erinnerung an die Judensterne aus der Nazizeit. Der Jobbik-Politiker Marton Gyöngyösi hatte im Parlament gefordert, jüdische Mitglieder der Regierung sowie des Parlaments, die eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“ darstellten, auf einer Liste zu erfassen.

Eine Frau trägt einen gelben Davidstern am Mantel.

Reuters/Bernadett Szabo

Bei einer Demonstration gegen die Aussagen eines Jobbik-Parlamentariers in Budapest trugen die Demonstranten zur Mahnung gelbe Judensterne.

Die EU müsse koordiniert und deutlich engagierter gegen Antisemitismus vorgehen. Man dürfe antisemitische Pamphlete und Äußerungen nicht mit dem Verweis auf einen vermeintlich bloßen Verbalcharakter nicht bagatellisieren: „Es begann, wie wir alle wissen, mit Worten, in Ungarn ist schon viel mehr“, mahnte Deutsch. Aktiver müsse auch die EU-Grundrechte-Agentur in Wien werden: „Ich sehe dort aber keine Taten.“

(religion.ORF.at/KAP)

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