Ökonom: Lebensgrundlagen in 20 Jahren knapp

Die Menschheit zerstöre ihre eigenen Lebensgrundlagen bereits in einem Ausmaß, „dass das niemanden mehr schlafen lassen dürfte“, so der Ökonom Gerhard Scherhorn bei einer Tagung in Wien am Donnerstag.

Selbst wenn die Weltbevölkerung nicht mehr wächst, würden die vorhandenen Ressourcen schon in rund zwei Jahrzehnten nicht mehr für den Unterhalt aller Menschen reichen, von einem Bevölkerungswachstum ganz zu schweigen. Das sagte Scherhorn, Professor für Konsumtheorie und Verbraucherpolitik der Universität Hohenheim in Deutschland, bei einer Pressekonferenz. Er verwies auf Klimawechsel, abnehmende Bodenfruchtbarkeit, Wasserknappheit und -verschmutzung und „fühlbar weniger werdende Bodenschätze“. Scherhorn hält am Donnerstagabend den Eröffnungsvortrag der internationalen Tagung „Gerechtigkeit in einer unendlichen Welt“ der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Wien.

Tagung „Gerechtigkeit in einer unendlichen Welt“

Die Tagung beginnt am Donnerstag um 18.00 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien, eröffnet wird sie von Dekanin Siegrid Müller und dem Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Bischofsvikar Nicolae Dura. Den spirituellen Schlusspunkt setzt am Freitag um 18.30 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst in der Kirche des Wiener Priesterseminars in der Boltzmanngasse 9.

Die Welt mit ihren Ressourcen sei endlich, Wirtschaftstheorien gingen aber von einer Unendlichkeit aus, so Ingeborg Gabriel, Professorin für Sozialethik an der Universität Wien und Direktorin der Österreichischen Kommission Iustitia et Pax. Ein Paradigmenwechsel sei dringend notwendig, in der Art des Umgangs mit materiellen Gütern wie auch im wirtschaftlichen Denken. Klimaveränderungen und Umweltschäden stellten nicht nur ein Problem in sich dar. Sie seien eines der größten Gerechtigkeitsprobleme der Gegenwart und Zukunft, so Gabriel weiter.

Arme Regionen am stärksten betroffen

Zum einen seien jene armen Regionen der Welt am stärksten betroffen, deren Bewohner den Klimawandel nicht verursacht haben, während die Verursacher im Norden teils davon profitierten. Zum anderen werde eine Bewältigung der ökologischen Probleme dadurch erschwert, dass der westliche ressourcen- und energieintensive Lebensstil längst zum Vorbild für die wachsende Mittel- und Oberschicht anderer Weltregionen geworden ist. Gabriel: „Eine Verlängerung dieses Trends führt zu einer untragbaren Belastung für die Ökosysteme unseres Planeten.“

Den Kirchen als größte zivilgesellschaftliche Akteure, die immer überproportional im Bereich der internationalen Armutsbekämpfung engagiert waren, komme eine mehrfache Rolle zu: „Sie sollten sich aufgrund der christlichen Botschaft für die Schwächeren stark machen, zu Maß, Verzicht und Solidarität motivieren und die Achtung vor der Natur als gute Schöpfung Gottes in ihrem Eigenwert wach halten.“

„Bund zwischen Mensch und Natur“

Zu den Referenten der internationalen Tagung am 10. und 11. Jänner in Wien zählt auch Kurienkardinal Peter Turkson, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Er berichtete im Rahmen der Pressekonferenz über die Bemühungen des Vatikan, bei internationalen Umweltkonferenzen die Stimme der Kirche einzubringen.

Kurienkardinal Peter Turkson, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden

dapd/Mario Vedder

Kurienkardinal Peter Turkson, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden

Die Menschenwürde müsse dabei immer im Zentrum stehen, so Turkson. Die katholische Kirche setze sich stets für ein Zusammenleben ein „das den Bund zwischen Mensch und Natur respektiert, ohne den es die Menschheitsfamilie riskiert, auszusterben.“ Der Kardinal mahnte nicht nur Gerechtigkeit in der Gegenwart sondern auch hinsichtlich künftiger Generationen ein.

P. Alois Riedlsperger, Direktor der Katholischen Sozialakademie, wies in seinen Ausführungen auf das Ökumenische Sozialwort hin, das 2013 sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Das von den 14 christlichen Kirchen in Österreich erarbeitete Dokument sei nach wie vor ein aktueller Kompass zu den sozialen und ökologischen Herausforderungen. Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit seien untrennbar verbunden, so Riedlsperger. Die Kirchen würden auch nicht nur zum Klimaschutz aufrufen, sondern sich selbst zu entsprechenden Initiativen verpflichten und diese auch umsetzen.

Kirchenrepräsentanten am Wort

Bei der internationalen ökumenischen Tagung werden unter anderem auch der griechisch-orthodoxe Metropolit von Austria, Arsenios (Kardamakis), und der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker das Wort ergreifen. Aus dem wissenschaftlichen Bereich kommen unter anderem der rumänische orthodoxe Theologe Dorin Oancea, der Direktor des „Weltethos Instituts“ an der Uni Tübingen, Claus Dierksmeier, die Leiterin der Grundsatzabteilung des deutschen Umweltbundesamtes in Dessau, Kora Kristof, der Münchner Sozialethiker Markus Vogt und der Gründer des in Genf beheimateten Ethiknetzwerks „Globethics.net“, Christoph Stückelberger.

Christa Schnabl, Vizerektorin der Universität Wien, unterstrich bei der Pressekonferenz die Mitverantwortung der Universitäten, gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen, zu diskutieren und Orientierungshilfe zu geben. In diesem Rahmen müsse auch der Beitrag der Theologie bzw. der Religionen sichtbar gemacht werden.

Veranstalter der Tagung sind die Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, die Katholische Sozialakademie Österreichs, die österreichische Kommission Iustitia et Pax, Pro Oriente und der Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich.

religion.ORF.at/KAP

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