Pastoraltagung: Debatte über Leistung und Integration

Auf einen Mangel an Wertschätzung für Fremde wies der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau bei einem Podiumsgespräch am Donnerstagabend im Rahmen der Österreichischen Pastoraltagung in Salzburg hin.

In Österreich mangle es oft an Wertschätzung für Fremde unabhängig davon, welche Leistungen sie erbringen, sagte Landau. Sein christliches Verständnis vom Menschen als Ebenbild Gottes veranlasse ihn demgegenüber zu einer „gewissen Reserviertheit“, so Landau in der Diskussion, bei der Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz für das ÖVP-Modell einer „Integration durch Leistung“ warb.

Weitere Gesprächspartner waren der aus Benin stammende Mitarbeiter des Wiener AAI Mahoudagba Christophe Adjassoho, die muslimische Studentin Elif Öztürk und die Dresdener Religionspädagogin und Beraterin der Deutschen Bischofskonferenz in Integrationsfragen, Monika Scheidler. „Migration und Integration: Pastorale Herausforderungen und Chancen“ lautet auch das Thema der noch bis Samstag dauernden Pastoraltagung im kirchlichen Bildungszentrum Salzburg-St. Virgil, an der rund 350 kirchliche Mitarbeiter teilnehmen.

Pluralität als Reichtum

Landau sagte bei dem Podiumsgespräch, Phänomene wie Zuwanderung würden in einer Gesellschaft zwar oft für Verunsicherung sorgen, seien aber in einer Demokratie der Normalfall. Es gelte auch „jenseits von Pizza und Sushi“ den Reichtum zu verdeutlichen, der dem Sich-Einlassen auf andere Kulturen zu verdanken sei.

Der Wiener Caritas-Direktor gestand Kurz zu, seit der Einrichtung des Integrationsstaatssekretariates sei ein „Rationalitätsschub“ in der Ausländerdebatte erfolgt, auch die Wortwahl sei behutsamer geworden. D’accord sei er bei der hohen Bedeutung, der Bildung für die Integration beigemessen werde. Landau plädierte jedoch für eine Schwerpunktverlagerung der Bildungsdebatte in Richtung Elementarpädagogik: Schon in Kindergarten und Volksschule müssten Weichenstellungen erfolgen, dass „kein Talent verloren geht“.

Landau: Weniger Hürden zu Staatsbürgerschaft

Landau richtete auch zwei konkrete Forderungen an die Regierung: Ein hürdenärmerer Zugang zur Staatsbürgerschaft sollte Zuwanderern die politische Teilhabe erleichtern; und er bat Kurz um einen „Schulterschluss“ zugunsten des 0,7-Prozent-Ziels bei den EZA-Ausgaben, um einen angemessenen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern zu leisten.

Als Grundsatz einer fairen Integrationspolitik legte Landau dem Staatssekretär ans Herz, was im Weltkatechismus im Kapitel über die Liebe zu den Armen steht: Man dürfe „nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist“.

„Jenseits von Hetze und Träumerei“

Kurz bekannte sich zu politischen Rahmenbedingungen „jenseits von Hetze und Träumerei“. Eine „Das-Boot-ist-voll-Mentalität“ lehne er ab, aber auch die Sichtweise von Migranten ausschließlich als „Opfer“. Das Modell „Integration durch Leistung“ setze auf Sprachkompetenz und Bildung vor allem bei Jungen und Menschen, die die Staatsbürgerschaft anstreben, auf Teilhabe an der Gesellschaft und auf gegenseitigen Respekt zwischen Zuwanderern und Einheimischen.

Kurz belegte die Virulenz des Thema mit Zahlen: Rund 1,5 der 8 Millionen Menschen in Österreich hätten Migrationshintergrund, jedes Jahr würden 130.000 Menschen neu zuziehen - gegenüber 100.000 Wegziehenden. 25 Prozent aller Volksschulkinder bundesweit und 60 Prozent in Wien stammten aus Migrantenfamilien. Die größte Zuwanderergruppe in Österreich seien Deutsche, die die heimische Staatsbürgerschaft in der Regel gar nicht anstrebten, und sechs von zehn Ausländer kämen aus EU-Ländern.

Als Erfolge seiner Integrationspolitik verbuchte das jüngste Regierungsmitglied die Sprachkompetenzsteigerung in Kindergärten, die gemeinsam mit der Caritas realisierten Lerncafés und Fortschritte bei der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsausbildungen. Weitere Schritte müssten aber folgen, so Kurz.

Wie lange ist man „Migrant“?

Mahoudagba Christophe Adjassoho, der seit sieben Jahren in Österreich lebt, berichtete, gelegentlichen rassistischen Beschimpfungen in der U-Bahn nicht zu viel Bedeutung beimessen zu wollen. Er wolle seine Zeit für Wichtigeres nutzen und spreche lieber über positive Erfahrungen als über Probleme. Er „setze auf Mut und Durchhaltevermögen“ und lebe gerne in Österreich. „Integration ist keine Einbahnstraße“, fügte Adjassoho hinzu.

Kritik an der sich oft über Generationen hinziehenden Titulierung als „Migrant“ äußerte die jungen Muslimin Elif Öztürk. Wenn die perfekt Deutsch Sprechende auf die Frage nach ihrer Herkunft „Deutschland“ antworte, höre sie manchmal die Nachfrage: „Ja, aber woher kommst du wirklich?“ Identität habe viel mehr Komponenten als familiäre oder kulturelle Abstammung, so Öztürk.

Integration als wechselseitiger Prozess

Religionspädagogin Monika Scheidler sagte bei der Tagung, Integration werde von Einheimischen oft im Sinne von Assimilation verwendet: „Wer hier herzieht, muss sich eben anpassen“, so der Standpunkt vieler. Dieser Druck treffe auch zugewanderte Christen, die in ihrer neuen Heimat keine ihrer Kultur oder Sprache entsprechende Gemeinde vorfinden.

Etwas anderes sei Integration als wechselseitiger Prozess, aus dem beide Seiten durch den Austausch verändert hervorgingen. Von ihrer Heimatstadt Hamburg berichtete Scheidler, die dortigen katholischen Gemeinden würden schon überwiegend von Gläubigen mit Migrationshintergrund getragen, und die einheimische Minderheit sei meist schon im Pensionsalter. Das funktioniere zunehmend gut und könne dazu beitragen, die Kirche auch im Nahbereich „katholischer“ zu machen.

KAP

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